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Westafrikanische Kriminelle übernehmen Kokainhandel

| Bild: © n.v.

2010 wurde Kokain im Wert von 1,25 Milliarden Dollar über Westafrika nach Europa geschmuggelt. Das hält der neue Bericht „Transnationale Organisierte Kriminalität in Westafrika: Eine Gefahrenanalyse” des United Nations Office on Drugs and Crime (UNODC) fest, der am 25. Februar 2013 veröffentlicht wurde. Darin setzen sich die Autoren mit dem Einfluss organisierter Kriminalität in Westafrika auseinander. Eines der Themen des Berichts ist dabei auch der Kokainschmuggel. 1)

Westafrika geriet Mitte der 2000er in den Fokus lateinamerikanischer Kartelle, die darin eine neue Route nach Europa sahen. 2003 wurden ca. 3 Tonnen Kokain nach Europa geschmuggelt, 2007 wurde mit 47 Tonnen der Höhepunkt erreicht, und 2010 waren es noch 18 Tonnen, was 10% des in Europa konsumierten Kokains entsprach. Doch aus dem Rückgang darauf zu schließen, dass Westafrika als Umschlagplatz uninteressanter wird, ist ein Fehler. Denn, wie der Bericht nahe legt, führten westafrikanische Gruppen früher lediglich den Transport nach Europa für die Kartelle durch, heute übernehmen sie immer mehr selber den Transport von Kokain von Südamerika nach Westafrika und weiter nach Europa.

Wie kommt das UNODC zu diesem Schluss? Beweise gibt es nicht, nur Indizien. So werden immer weniger große Kokainlieferungen nach Westafrika aufgebracht. Die Kartelle transportierten früher tonnenschwere Lieferungen, teilweise in eigenen Frachtmaschinen, mittlerweile werden im Durchschnitt nur noch 175kg schwere Lieferungen entdeckt, zumeist auf kleinen Booten. In der Vergangenheit konnten kleine Lieferungen tendenziell eher westafrikanischen Gruppen zugerechnet werden.
Die Ermittler vermuten zudem, dass sich eine neue Route für den Kokainschmuggel nach Europa aufgetan haben muss: von Westafrika über die Sahara/Sahel-Zone ans Mittelmeer und von dort nach Europa. Der Grund dafür ist, dass immer weniger Lieferungen auf den klassischen Transportwegen entdeckt werden, was entweder auf das geringere Volumen oder eine Professionalisierung der Beteiligten zurückgeführt werden kann. Es wird vermutet, dass die westafrikanischen Gruppen nun deutlich mehr Aufwand betreiben, um das Kokain unentdeckt nach Europa zu bringen, was auf die gestiegene Eigenbeteiligung schließen lassen könnte.
Ein weiteres Indiz ist die Herkunft des Kokains. Früher kamen große Mengen aus Venezuela und Bolivien, mittlerweile kommt der Großteil des Kokains aus Brasilien nach Westafrika. Und gerade in Sao Paolo kontrollieren nigerianische Gruppen nach Angaben brasilianischer Offizieller große Teile des Kokainexports. 90% aller am Flughafen von Sao Paolo entdeckten Drogenkuriere behaupten, ihre Pakete von nigerianischen Gruppen bekommen zu haben. Dabei versuchen die nigerianischen Gruppen immer mehr, direkt aus Brasilien nach Europa zu schmuggeln, der Großteil des Kokains wird aber über Südafrika und Angola nach Westafrika und dann weiter nach Europa geschmuggelt.

Generell scheint der westafrikanische Kokainschmuggel in Hand von nigerianischen Gruppierungen zu sein. Vor allem die Gruppe der Igbo hat historisch eine große Diaspora in Südamerika und Europa. Sie organisieren den Transport des Kokains aus Südamerika, übernehmen die Distribution in Westafrika und den Weitertransport nach Europa. Nach Statistiken aus Deutschland, Italien, Spanien, Portugal und Schweiz gehören westafrikanische Staatsbürger, und vor allem Nigerianer, mit zu den am häufigsten wegen Kokainschmuggel und –verkauf festgenommenen Ausländern.

Doch was bedeutet es für Westafrika, wenn der Kokainschmuggel immer mehr in der Hand heimischer Gruppierungen liegt? Eingangs wurde das geschätzte Handelsvolumen von Kokain im Jahr 2010 erwähnt: 1,25 Milliarden Dollar, die von Gruppierungen in Westafrika umgesetzt werden. Damit ist es trotz des Rückgangs größer als der jeweilige Militäretat von Togo, dem Niger, Liberia und Sierra Leone. Manche der tonnenschweren Großlieferungen der Vergangenheit waren mehr wert als das BIP von Guinea-Bissau. Das kann einen Eindruck vermitteln, welchen immensen wirtschaftlichen Einfluss der Kokainhandel auf die westafrikanischen Länder hat. In ähnlichen Situationen hat sich gezeigt, dass unterentwickelte Regionen teilweise vollständig von der Drogenökonomie abhängig wurden, da sie das einzige Einkommen darstellte. Durch die Begleiterscheinungen des Drogenhandels wurden ausländische und heimische Investoren abgeschreckt, namentlich durch massive Korruption in Militär und Politik und schwere Gewalt. Zwar generierte der Drogenhandel lokal Geld, das aber nicht dort investiert wird und von dem somit nur wenige profitieren. Es gerieten ganze Dörfer in die finanzielle Abhängigkeit der Dealer, die diese Machtposition auch schamlos ausnutzen, wenn das Geschäft nicht mehr lief. Somit höhlte das Drogengeschäft die heimische Wirtschaft Stück für Stück aus. In Westafrika ist zudem das Problem, dass die Staatlichkeit einzelner Länder eher schwach ausgeprägt ist und durch Schattenwirtschaft und Korruption weiter unterminiert wird.

In Westafrika geschah dies bereits in Guinea-Bissau. Die politische und militärische Elite arbeitet teilweise eng mit den Drogenhändlern zusammen. Die bereits nach politischen Unruhen prekäre Staatlichkeit wird weiter dadurch unterminiert, dass hochrangige Offizielle massiv vom Kokainhandel profitieren und die Kriminellen deshalb decken. Anzeichen für eine fortschreitende Unterwanderung staatlicher Strukturen durch die organisierte Kriminalität gibt es in Sierra Leone, Mauretanien und Gambia. Zudem gibt es Hinweise, dass auch Gruppen wie die Terrororganisation al-Qaida im Islamischen Maghreb am Kokainschmuggel gut mitverdienen.

Link zum Bericht (pdf)

Link zu einer kurzen Zusammenfassung

 

Fußnoten (Hinweise, Quellen, Links)

  1. UNODCTracking transnational organized crime in West Africa – aufgerufen am 28.2.2013

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