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Gesichtet: Drogenkartelle jetzt schon auf Facebook!

| Bild: © n.v.

Vor ein paar Jahren noch waren Drogenkartelle dazu gezwungen Funkrufempfänger und Münztelefone zu benutzen, um vor der Regierung unentdeckt zu bleiben. Nun, im Zeitalter des Internets gehen auch die Kartelle so leichtfertig wie noch nie mit den Social Networks um. Laut der Zeitschrift „VICE“ nutzen Drogenkartelle und deren Mitglieder immer häufiger das Social Media, um ihren Bekanntheitsgrad zu steigern. Aber auch aus anderen Gründen wurden Mexikos Drogenkartelle in den vergangenen Monaten immer aktiver im Social Media. Sowohl Facebook als auch Twitter und YouTube bieten eine hervorragende Möglichkeit frei und ungehindert ihre Ansichten und Botschaften über das Internet zu teilen und für sich selbst Werbung zu machen.

„Besonders bei Jugendlichen versuchen sie neue Mitglieder anzuwerben und sich ein besseres Image zu verschaffen“, stellt der ehemalige Generalstaatsanwalt Arizonas, Terry Goddard fest, der Jahre lang gegen die Kartelle ankämpfte.

Das kanadische Forschungsinstitut SecDev deckte in den vergangenen Monaten die vielen verschiedenen Wege des organisierten Verbrechens in den neuen sozialen Medien auf. 1)

Erfasst wurden neben offiziellen Internetauftritten der Kartelle auch viele Mitglieder, die sogenannte „Selfies“, Selbstportraits, veröffentlichten. Mit Waffen, Drogen und Geld abgelichtet, gleichen die Bilder einer eigenen Werbekampagne, die das Leben als Drogenschmuggler darstellen soll. Doch nicht nur mit Bildern wollen sich die Kartelle in ein positives Licht stellen, sondern auch mit Videos. Als Hurricane Ingrid vergangen September weite Teile Mexikos verwüstete, veröffentlichte das Golf-Kartell ein Video, das Hilfe spendende Mitglieder zeigte, die den Opfern unter die Arme griffen. 2)

Aber auch zur Abschreckung sollen ihre Auftritte im Internet dienen. Vergangenen Oktober erschütterte die Grausamkeit eines Videos über tausende von Facebook-Mitglieder. Zu sehen war die Enthauptung einer knienden Frau, durchgeführt von einem maskierten Mann, der mit einer barschen Stimme in die Kamera sprach: „Also Gentlemen, das ist, was mit allen Anhängern des Golf Kartells passieren wird. Im Auftrag der Los Zetas.“ Konsequenzen für diese Tat scheinen sie nicht zu fürchten, so sorglos wie sie mit den Social Media umgehen. 3)

„Ich denke sie wollen uns beweisen wie überaus selbstsicher und mächtig sie sind, sodass ihre Social Media Beiträge sie unverwundbar erscheinen lassen“, bestätigt Goddard. 1)

Tatsächlich dauerte es unerwartet lange bis die Drogenkartelle das Internet zu ihren Gunsten zu nutzen wussten, gibt man zu Bedenken, dass einer ihrer größten Gegenspieler, der Online-Blog „Blog del Narco“, bereits seit einigen Jahren das Social Media zu seinen Vorteilen nutzte. „Blog del Narco“ berichtete umfangreich über die neuesten Aktivitäten der Kartelle und galt als der meist gelesene Blog Mexikos. Mit ihrer Online-Berichterstattung, schafften sie es sich ohne jegliche Gewalt den Kartellen entgegenzustellen und sich zu einem ernstzunehmenden Widersacher zu entwickeln. Um den Betreibern Einhalt zu gebieten, mussten die Drogenkartelle nun ganz neue Maßnahmen ergreifen. Sie investierten deutlich mehr Geld und Personal in ihre Technologien und schafften es letztendlich die Personalien des Betreiberpärchens zu ermitteln. Seit Mai dieses Jahres sind die beiden nun auf der Flucht. 4)

Zweifelsohne bietet das Social Media eine Vielfalt an Möglichkeiten, sei es zur Aufklärung, zur Festigung des Images, zur Einschüchterung oder zur Bestürzung. Meinungsfreiheit wird in Bereichen wie Facebook, Twitter oder YouTube groß geschrieben, doch scheiden sich die Geister in wie weit diese Freiheit reichen darf. Nach Veröffentlichung des Enthauptungs-Videos wurden hunderte von Beschwerden und Meldungen an Facebook gesendet: Man solle das Video sperren, Facebook trage die Verantwortung. Zu Beginn weigerte sich das Unternehmen das Video von der Website zu entfernen, da sie die Meinungsfreiheit nicht einschränken wollten. Großbritanniens Premierminister kritisierte diese Äußerung scharf und stellte Facebooks moralische Maßstäbe in Frage. Nach weiteren Diskussionen zeigte sich Facebook einsichtig und sperrte das Video. 3)

„Based on these enhanced standards, we have re-examined recent reports of graphic content and have concluded that this content improperly and irresponsibly glorifies violence. For this reason, we have removed it,“ erklärte die Firma.

Scharf kritisiert veranlasste das Unternehmen, ab sofort seine Kontrollen zu verstärken und Seiteninhaber hinsichtlich ihrer Verantwortung genauer zu beleuchten. Gewaltverherrlichende Beiträge seien auf der Website nicht erwünscht und würden gegen alle ethischen Grundlagen verstoßen. In Zukunft sollen Meldungen über gewalttätige Beiträge schneller bearbeitet und geklärt werden. 5)

1,1 Milliarden Mitglieder 6) und die wachsende Zahl an Nutzern der Drogenkartelle erschweren jedoch die Kontrollen. Bei konsequenter Suche lassen sich auch jetzt noch Seiten und Profile von Drogenkartellen oder deren Mitgliedern finden, die gewalttätige Bilder und Botschaften mit ihrer Internetgemeinschaft teilen. Die Kartelle legen immer mehr Wert auf die Nutzung des Internets und investieren in ihr technisches Fachkönnen.

Laut VICE sollen 2012 mehr als 36 Ingenieure von den Drogenkartellen entführt worden und niemals wieder aufgetaucht sein.

„Angeblich sollen die Kartelle junge Computerwissenschaftler aus Mexiko einstellen und ihnen ein gutes Gehalt anbieten. Wenn sie jedoch zusätzliche Talente benötigen, entführen sie einfach andere“, erklärt Antoine Nouvet, Vorsitzender des SecDev-Instituts.

Das organisierte Verbrechen scheint die Welt des Social Networks für sich entdeckt zu haben. Immer mehr lernen sie dessen Vorzüge zu schätzen und bewusst einzusetzen. Doch auch für sie birgt das Social Media Gefahren:

„Die Technologie sollte den Kartellen einen Vorteil verschaffen, sie könnte sie aber auch besonders verwundbar machen,“ gibt Antoine zu Bedenken. „Und dieser Fall könnte in Mexiko auftreten, wenn die die Regierung besseres Geschick beweist und neue Gesetze verabschiedet, die die Kartelle im Cyberspace bekämpft.“ 4)

Fußnoten (Hinweise, Quellen, Links)

  1. KPHO: Drug cartels taking to social media to recruit – nicht mehr verfügbar
  2. LatinTimes: Gulf cartel, other mexican drug cartels take to social media to share „selfies“, guns and women – aufgerufen am 12.11.13
  3. International Business Times: Beheaded woman in viral video on facebook ‚unknown‘, authorities not investigating – aufgerufen am 11.12.13
  4. VICE: Mexico’s drug cartels love social media – aufgerufen am 12.11.13
  5. The Guardian: Facebook removes mexican beheading video – aufgerufen am 12.11.13
  6. Wikipedia: Facebook – aufgerufen am 11.12.13

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