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Auge um Auge, Zahn um Zahn

| Bild: © n.v.

Der folgende Beitrag schließt an den Artikel „Vom revolutionären Helden zur irischen Schreckensgewalt“ an und befasst sich mit der Drogenkriminalität in Irland und der Selbstjustiz der Neuen IRA.

Gemäß des von der Europäischen Drogenbeobachtungsstelle (EMCDDAD) präsentierten EU-Drogen Berichts 2014 liegt Irland mit 70 Toten pro eine Millionen Einwohner über dem EU-Durchschnittswert.
Seit Mitte der 70er Jahre wächst der illegale Drogenkonsum in Irland. Vor allem bei jungen Menschen nimmt der Konsum von psychodelischen Drogen, eingeschlossen LSD und Cannabis, zu. 1)

Für den hohen Drogenkonsum in Irland ist wohl die brachliegende Wirtschaftssituation mit verantwortlich. 2009 verlegte der amerikanische Computerhersteller Dell seinen Sitz von Limerick im Westen Irlands nach Polen – 1900 Menschen verloren ihren Job. 2010 verhängte die Regierung einen Einstellungsstopp, um auf das Haushaltsdefizit von 13% zu reagieren, das höchste in der EU. Bis 2015 sollen 282.500 Stellen im öffentlichen Sektor gestrichen werden. Allein im Zeitraum von 2008 bis 2012 stieg die Arbeitslosenquote um 7,71% auf 14,67%. Zu niedrige Gehälter, Arbeitslosigkeit, Schulden, Perspektivlosigkeit sind die Folgen. Um aus so einer Situation raus zukommen, suchen sich viele eine andere Einkommensquelle und steigen in Drogengeschäfte ein bzw. konsumieren selbst. 2) 3)

Drogenkriminalität und damit einhergehende Gewalt sind mittlerweile Alltag in Irland. Dazu gehören Einbrüche, Überfälle, Messerstechereien, Vergewaltigungen und Schießereien. Die Drogenkartelle regieren mit harter Hand in ihren Revieren. Ganz nach dem Motto „Auge um Auge, Zahn um Zahn“. Und wer einmal in der Szene ist, kommt oft nicht unversehrt wieder raus, auch als unschuldiger Angehöriger kann man zum Opfer werden. Oder wenn man seine Nase und Ohren zu tief in die Drogengeschäfte der Bosse steckt, so der Fall von Veronica Guerin. Guerin war eine irische Journalistin, die 1994 anfing eine Reihe über die Kriminalität in Irland für den Sunday Independent zu verfassen. Ihre Artikel richteten sich besonders gegen Drogenbosse. Um sie zum schweigen zu bringen, wurde sie bestochen, zusammengeschlagen und bekam etliche Morddrohungen, die Guerin nicht abhalten konnten, bis sie am 26. Juni 1996 in ihrem Auto erschossen wurde.

Das organisierte Verbrechen reicht tief in die irische Gesellschaft, jeder zweite Mord steht in Zusammenhang mit der Drogenszene.
Mitte der 90ger Jahre importierten die Banden neben Drogen auch Waffen, seitdem wurden 200 Menschen getötet. Die Bandenkriege verlagern sich zunehmend in die Öffentlichkeit. 2012 wurden insgesamt fünf Opfer direkt vor den Augen ihrer Angehörigen und Kindern während dieser Bandenkriege ermordet.
Die Polizei steht dem meist hilflos gegenüber. Das System hat sich schon zu stark etabliert, um es einfach zu zerschlagen. Auch beobachtet die irische Polizei ein Aufkommen einer noch brutaleren und rücksichtsloseren Generation von jungen Drogenkriminellen. 4)

Durch den Einstellungsstopp und die Frühpensionierung wurden die Truppen dezimiert. Das Überstundenbudget ist aufgebraucht und aus Kostengründen wurden Polizeistationen in ländlichen Gegenden geschlossen. Die Polizei ist überfordert und in der Bevölkerung herrscht Unmut.
Die zahlreichen Morde an Mitgliedern von Drogenbanden sowie Unschuldigen, die nur Opfer der Verwechslung waren, versetzen die Bewohner zunehmend in Angst. Auf ihre Forderungen zur Verschärfung des Waffengesetztes und Stationierung des irischen Militärs in Limerick, um wieder Ruhe herzustellen, reagierte die Regierung nur mit einer Verschärfung des Strafgesetzes. 5)

Da sich die Gewalttaten nicht einstellten und die Regierung keine weiteren Anstalten machte, den Drogenkrieg einzudämmen, sahen sich die Verfechter religiöser und konservativer Werte wohl zum Handeln und zur Selbstjustiz gezwungen. Die Republican Action Against Drugs gründete sich aus radikalen Mitgliedern der IRA. Seit der Gründung 2009 gab es zahlreiche gewalttätige Übergriffe, Schießereien, Bombenanschläge und Morde. Den ersten Mord begingen sie an Andrew Allan am 9. Februar 2012. In einem Statement bezeichneten sie ihn als „Death dealer“ und „ Career criminal“ und rechtfertigen, ihn vorher gewarnt zu haben, seine Tätigkeiten zu stoppen, doch habe dieser nicht auf die Drohungen reagiert.
Für viele Bewohner war dieser Mord unverständlich. Sie versammelten sich daraufhin in Londonderry und protestierten gegen die Selbstjustiz der RAAD. Dies war die beste Möglichkeit für sie, ihre Meinung zu zeigen, ohne Gefahr zu laufen, Vergeltungsmaßnahmen in Kauf nehmen zu müssen.
Auch im Parlament wurde der Todesfall zum Thema, nachdem Martina Anderson, Sinn Fein Abgeordnete, Andrew Allen auf die Tagesordnung setzte. Mitglieder aller Parteien verurteilten den Mord und waren sich einig, dass regimekritische Republikaner dafür verantwortlich waren. Daraufhin forderte Sinn Fein Versammlungsmitglied Raymond McCartney die Gruppe auf, sich aufzulösen. 6)

Fortsetzung folgt …

Fußnoten (Hinweise, Quellen, Links)

  1. secupedia: eu drogen bericht. erschienen am: 02.06.14 – nicht mehr verfügbar
  2. statista: irland arbeitslosenquote. erschienen am: 04.14 aufgerufen am: 13.08.14
  3. tageswoche: international- jugend ohne Zukunft. erschienen am: 13.07.12 aufgerufen am: 13.08.14
  4. blog for ireland: liebe und hass. erschienen am: 23.11.14 aufgerufen: 13.08.14
  5. faz: limerick gegen Banden. erschienen am: 29.07.09 aufgerufen am: 13.08.14
  6. bbc: uki nothern ireland. erschienen am: 22.02.12 aufgerufen am: 13.08.14

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