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Schlafmohnanbau in Afghanistan: „Auch die Taliban müssen Geld verdienen“

„Das ist die einzige Zeit im Jahr, in der man Geld verdienen kann.“, so berichtet ein junger Afghane, der bei der Schlafmohnernte beschäftigt ist. 15 Tage im Jahr herrscht Emsigkeit in den ländlichen Gegenden am Hindukusch, in denen tausende, kleinbäuerliche Familien vom Schlafmohnanbau abhängig sind. Die Opiumproduktion wird wohl dieses Jahr in Rekordhöhe ausfallen. Für die Taliban bedeutet das einen Anstieg an finanziellen Ressourcen. 1)

Die Arbeitslosigkeit in Afghanistan ist ein drängendes Problem: Etwa 40 Prozent der arbeitsfähigen Menschen konnten 2015 keiner geregelten Tätigkeit nach gehen. 2)  Viele halten sich durch Gelegenheitsjobs und informelle Arbeit über Wasser. Besonders für Jugendliche ist die Perspektivlosigkeit quälend. Die Menschen fühlen sich vom Staat allein gelassen: Die Gefahr der Zuwendung zu illegalen Aktivitäten oder der Radikalisierung wird massiv erhöht. 3)

Das Fehlen von Alternativen treibt damit tausende Afghanen in die Kriminalität. Vor allem in den ländlichen Gebieten bietet sich der Anbau von Schlafmohn an – schwache Infrastruktur und weite Transportwege machen die Vermarktung von anderen Agrarprodukten nahezu unmöglich. Für viele verarmte Kleinbauern ist der Schlafmohnanbau die einzige Möglichkeit, ihre Familien zu ernähren. 4)

Das führt aber auch in eine gefährliche Abhängigkeit: Einen großen Teil des Opiumhandels betreiben die Taliban. Während der Erntezeit herrscht oft weitgehend Stillstand bei den Kampfhandlungen – das illustriert die enorme Verflechtung der Terrororganisation mit dem Drogenhandel. 1) Aber auch Funktionäre aus der Regierung verdienen kräftig am Handel mit dem Opium mit. Das fördert die Korruption. Auch die US-Zahlungen an diverse Kriegstreiber aus der Regierung für Eradikationsmaßnahmen im Zuge des globalen ‚War on Drugs‘ trugen dazu bei. 4) Die Versuche, damit den Drogenhandel einzudämmen, scheiterten – und trafen individuelle Kleinbauern, anstatt die Ursachen der Kriminalität anzugehen: Armut und Perspektivlosigkeit. 3)

Noch immer produziert Afghanistan etwa 90 Prozent des weltweiten Opiumbestandes. Opiate aus Afghanistan gelangen nach Russland, Europa und sogar in die USA und Kanada. 5) Zunehmend werden auch Märkte innerhalb des Landes erschlossen: Die Rate der Abhängigen im Land selbst ist enorm: Etwa 11 Prozent der Afghanen konsumieren Drogen. Im Vergleich dazu: Der globale Durchschnitt liegt bei etwa fünf Prozent. 6)

Der Fokus auf illegale Wirtschaftszweige sowie die hohe Zahl der Drogenabhängigen schwächt wiederum die volkswirtschaftliche Situation des Landes: Ein Teufelskreis. Für tausende Afghanen wird die ständige Bedrohung durch die Taliban, die anhaltenden Kampfhandlungen und das Fehlen von Alternativen für einen gesicherten Lebensunterhalt unerträglich – Afghanen bilden nach Menschen aus Syrien weiterhin die größte Gruppe von Geflüchteten. 7)

Fußnoten (Hinweise, Quellen, Links)

  1. Daily Mail: ‚Lance with love‘: Afghans revel in bountiful opium harvest – Artikel vom 20.05.2016
  2. Rawa: Unemployment rate spikes in Afghanistan – Artikel vom 10.02.2015
  3. Pax Populi: Youth Unemployment in Afghanistan – Artikel vom 10.11.2014
  4. NBC News: As Heroin Use Grows in U.S., Poppy Crops Thrive in Afghanistan – Artikel vom 07.07.2015
  5. UNODC: Central Asia – Stand 23.05.2016
  6. Foreign Policy: Afghanistan: Still the King of Opium – Artikel vom 30.07.2015
  7. Telepolis: „Keiner interessiert sich mehr für Aghanistan“ – Artikel vom 17.03.2016

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