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Kolumbien: Frieden mit der FARC – Ist das Land bereit?

Das Ende des Bürgerkriegs in Kolumbien rückt in greifbare Nähe. Die kolumbianische Regierung und die FARC-Rebellen haben sich auf Kuba auf einen schrittweisen Friedensplan verständigt. Dieser soll den blutigen Konflikt beenden, der das Land seit über 50 Jahren heimsucht. Doch über 200.000 Opfer und Millionen von Flüchtlingen haben Kolumbien tief gespalten. | Bild: © n.v.

Das Ende des Bürgerkriegs in Kolumbien rückt in greifbare Nähe. Die kolumbianische Regierung und die FARC-Rebellen haben sich auf Kuba auf einen schrittweisen Friedensplan verständigt. Dieser soll den blutigen Konflikt beenden, der das Land seit über 50 Jahren heimsucht. Doch über 200.000 Opfer und Millionen von Flüchtlingen  haben Kolumbien tief gespalten. Auf beiden Seiten sind die Ängste groß. Hat das neue Friedensabkommen größere Aussichten auf Erfolg als seine Vorgänger? Welche Gründe sprechen für, welche gegen einen Fortschritt im Friedensprozess? 1)

Seit 1964 bekämpften sich die linksgerichtete FARC und die kolumbianische Regierung. Die Rebellen haben sich in dieser Zeit zur Finanzierung ihres Kampfes ein wahres Drogen-Imperium geschaffen. Sie beherrschen 70 Prozent der Coca-Anbauflächen in Kolumbien und sind mit 40 Prozent Marktanteil der größte Kokainproduzent der Welt. Ihr Jahresumsatz wird auf eine Milliarde US-Dollar geschätzt, von denen ein Drittel in den Krieg, wohl aber weitere 300 Millionen in die Taschen der Milizionäre fließen. Aus dieser führenden Position im Kokainhandel, den involvierten Summen und anderen sozialen Faktoren entstehen zahlreiche Probleme für einen Friedensschluss und einen Rückzug der FARC aus dem illegalen Drogengeschäft. 2)

Milliarden von Dollar und ein Machtvakuum – kein Stoff für Frieden

Zunächst einmal kann ein Ende der FARC nicht mit einem Ende der kolumbianischen Kokainproduktion gleichgesetzt werden. Dafür gibt es mehrere Gründe. Der wohl entscheidendste liegt in der mangelnden Kontrolle der Regierung über große Teile des schwer zugänglichen Landes. Selbst wenn die marxistischen Rebellen sich aus diesen Gebieten zurückziehen würden, ist es unwahrscheinlich, dass der Coca-Anbau dort ein Ende findet. Denn sollte die Regierung das entstehende Machtvakuum der FARC nicht füllen können, was als sicher gilt, werden Kartelle und kriminelle Banden ihre Chance ergreifen, ihre Machtbasis in den abgelegenen Provinzen Kolumbiens auszubauen. Das Ende der Rebellen könnte somit lediglich andere kriminelle Organisationen stärken.

Ein weiteres Problem stellt die dezentrale Struktur der FARC dar. Diese ist in verschiedene Einheiten, sogenannte „Fronten“, unterteilt. Ein Friedensschluss mit einem Großteil der Rebellen lässt folglich Raum für einzelne dieser Fronten, sich fortan unabhängig oder im Verbund mit Kartellen weiterhin der lukrativen Kokainproduktion zu verschreiben. Auch hier stellen das mögliche Machtvakuum der friedenswilligen Teile der FARC und die astronomischen Summen klare Anreize dar, die für eine solche Vorgehensweisen sprechen, sollte dies auch nur vereinzelt passieren. 1)

Des Weiteren lässt ein Wegfallen der FARC eine große Lücke im Netzwerk der Drogenproduzenten in Kolumbien zurück. Diese organisieren sich bisher in einem „Pax Mafiosa“, der nach dem Motto „divide et impera“, teile und herrsche, den Handel mit Kokain weitgehend friedlich unter den Kartellen und Gruppierung aufteilte und regelte. Es steht zu erwarten, dass ein Ende der FARC nicht nur kein Ende des Drogenhandels bedeuten würde, ein Machtkampf der Kartelle könnte Kolumbien in ein kriminelles Schlachtfeld verwandeln, wie die traurigen Vorbilder Mexiko und Guatemala es zeigen. 2)

Sind Gesellschaft und FARC bereit für Frieden?

Doch selbst wenn man diese Risiken außer Acht lässt, ergeben sich noch große Hürden. Auf der einen Seite sind nach einem über 50-jährigen Bürgerkrieg Vorbehalte auf beiden Seiten nicht zu vermeiden. Zu viel Unrecht ist geschehen. Vor allem durch die kriminellen Einkünfte der FARC, die außer Drogenhandel auch aus Entführungen und Erpressungen stammten, steht die Bevölkerung einem Friedensschluss eher zögerlich bis ablehnend gegenüber. Zugleich wird die „Politik der harten Hand“ durch den vorherigen Präsidenten Álvaro Uribe als Erfolg gesehen, der die FARC weit genug schwächte um einen Frieden zu ermöglichen. Würde die Gesellschaft die geläuterten Rebellen wieder in sich aufnehmen? Ist eine Integration überhaupt denkbar? Auf die Frage kann zumindest mit Skepsis geblickt werden. Das größte diesbezügliche Hindernis bildet allerdings die angekündigte Volksabstimmung über den Friedensschluss. Sollte die Bevölkerung eine negative Entscheidung treffen, wären die vierjährigen Friedensverhandlungen gescheitert.

Auf der anderen Seite gibt es auch Vorbehalte auf Seiten der FARC-Rebellen. Ein Großteil der 7.000-8.000 Kämpfer verfügt über keine berufliche Ausbildung. Dieser Umstand erschwert in einer ohnehin schon ablehnenden gesellschaftlichen Stimmung deren Resozialisierung nur weiter. Daher bietet die Weiterführung der Kokainproduktion oder der Anschluss an kriminelle Organisationen oder Kartelle eine ernstzunehmende Alternative für die Rebellensoldaten. Zudem geht die Angst vor Massakern durch rechte Paramilitärs um, wofür  der Mord an 3.500 Mitgliedern der Unión Patriótica, dem politischen Arm der Guerilla, einen grausamen Präzedenzfall schafft. 1)

Die Einigung auf einen Friedensschluss muss eindeutig begrüßt werden. Doch dürfen die großen vorgestellten Sorgen auf beiden Seiten nicht ignoriert werden. Resozialisierung muss ermöglicht, Sicherheit der Bevölkerung gewährleistet werden. Doch vor allem darf die Regierung das mutmaßliche Machtvakuum der FARC nicht unbekleidet lassen. Die Folgen für das Land könnten verheerend sein.

Fußnoten (Hinweise, Quellen, Links)

  1. Spiegel Online: Farc-Rebellen in Kolumbien: Revolution für den Frieden; Artikel vom 25.08.2016
  2. InsightCrime: WHat Does Colombia Peace Deal Mean for Cocaine Trade?; Artikel vom 24.08.2016

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