Zum Inhalt springen

| Bild: © Pkripper503 - Dreamstime

Trotz Verhaftung von zwei Drogenbaronen: Korrupte Politik sichert Geschäft des Sinaloa-Kartells

 |  Bild:  ©  Pkripper503 - Dreamstime

| Bild: © Pkripper503 - Dreamstime

Der Ursprung des Drogenhandels liegt tief im Landesinneren, im mexikanischen Bundesstaat Sinaloa. Unzugängliche Täler und Gebirge ermöglichen seit vielen Jahrzehnten den Anbau und Handel von Rauschmitteln. Es ist auch die Heimat der mächtigsten Verbrecherorganisation der Welt: dem Sinaloa-Kartell. Es ist ein weitläufig organisiertes Unternehmen. Zu seinem Vorstand gehörte auch Chapo Joaquín Guzmán, der im Januar 2017 festgenommen und den USA ausgeliefert worden war. Innerhalb Mexikos arbeitet das Kartell mit 16 Bundesstaaten, außerhalb kooperiert es mit Franchise-Unternehmen in 58 Ländern. Lange bestand das Hauptgeschäft des Kartells aus dem Schmuggel von Marihuana und Kokain. Seit 2008 verlagerte sich der Fokus jedoch auf Heroin, produziert in Mexiko. Außerdem ist das Sinaloa Kartell in Waffen- und Menschenhandel involviert. Auch mit Rohstoffen und Produktpiraterie verdienen sie ein Vermögen.  Der „multinationale Konzern“ setzt Schätzungen zufolge hundert Millionen Dollar im Monat um. Riesige Mengen Schwarzgeld werden per LKW nach Mexiko transportiert. Dort wird das Geld zunächst gewaschen und später in Banken auf der ganzen Welt verteilt. Erst danach können es die Bosse wieder gebrauchen. Das Sinaloa Kartell arbeitet mit den Flores-Zwillingen aus Chicago zusammen, deren Gang bereits über mehr als 5000 Mitarbeiter verfügt. Sie kontrollieren Netzwerke und Städte in ganz Amerika und können bis zu zwei Tonnen Drogen im Monat bewegen.1

2006 erklärte die mexikanische Regierung den Drogenkartellen den Krieg und schickte Soldaten an die Grenze zur USA. Ein brutaler Drogenkrieg brach aus. Sinaloa drang gewaltsam in Regionen vor, die eigentlich von anderen Gangs kontrolliert wurden. Der Eroberungsfeldzug des Sinaloa-Syndikats dauerte fünf Jahre und kostete mehr als tausenden Menschen das Leben. Nur wenige Mitglieder wurden verhaftet und ihre Straftaten wurden in keiner offiziellen Statistik erfasst. Viele Mexikaner glauben, dass ihre Regierung das Kartell deckt. Die Regierung bestreitet diese Vorwürfe vehement. Auch gegen die DEA wurden bereits öfter Vorwürfe erhoben. Nach Recherchen des „El Universal“, eine der ältesten und seriösesten Zeitungen Mexikos, sollen US-Ministerien und Regierungsbehörden lange mit dem mächtigsten Kartell zusammengearbeitet haben, um dadurch an Informationen über rivalisierende Mafia-Gruppen zu gelangen. Nach eigenen Recherchen und Interviews mit Drogenfahndern, Häftlingen und Experten dokumentierte die Zeitung in einem zehnseitigen Artikel, wie sich von 2000 bis 2012 Mitarbeiter der DEA mit hochrangigen Sinaloa-Mitgliedern getroffen hätten. Im Gegenzug für Informationen hätten die Agenten Strafminderung oder das Fallenlassen von Anklagen in Aussicht gestellt. Die DEA verweigerte jedem Medium eine Stellungnahme. Fakt ist jedoch, dass zwischen 2006 und 2012 nur ein Prozent der Schläge gegen mexikanische Mafia-Organisationen das Sinaloa-Kartell traf.2

Drogenkartelle sind kein neues Phänomen in Mexiko. In den 80er Jahren ließ sie der Staat noch mehr oder weniger in Ruhe. Die jahrzehntelang regierende Partei PRI duldete die so genannten Narcos, wenn sie nicht selbst an deren Geschäften beteiligt war. Polizei und Politiker vergaben Territorien und bestimmten die Regeln. Nach dem Niedergang der Zentralmacht, so Anne Huffschmid vom Lateinamerika-Institut in Berlin,  gibt es jedoch keine Vermittlung mehr zwischen den Interessengruppen. „So haben sich die Rollen neu verteilt, die Kartelle konkurrieren nun verschärft untereinander, ohne eine regulierende Instanz.3

Anfang 2017 wurde „El Chapo“ Joaquín Guzmán zum dritten Mal verhaftet, nachdem er zweimal aus dem Gefängnis fliehen konnte. Seine damalige rechte Hand Damaso Nunez, alias „Licenciado“, der als hoher Beamter in der Verwaltung von Gefängnishochsicherheitstrakten arbeitete, organisierte El Chapos Flucht im Jahr 2001. Der studierte Jurist kündigte seine Stelle, trat dem Kartell bei und wurde zu einem der engsten Berater von Guzmán. Nach dessen Verhaftung wurde angenommen, dass Damaso Nunez die Führung des Syndikats übernehmen würde, doch nun ist auch er festgenommen worden.4

Doch auch wenn zwei der wichtigsten Männer des Kartells nun hinter Gittern sitzen, werden das Einkommen und die Macht des weltweit erfolgreichsten Kartells nicht geschwächt. Wie die Tagesschau schreibt, gleicht der Kampf gegen die Drogenbanden mittlerweile eher dem Kampf gegen eine Hydra: je mehr Köpfe man abschlägt, desto mehr wachsen nach.5 Edgardo Buscaglia, Kriminalitätsexperte und Leiter des International Law and Economic Development Centre in Mexiko, ist der Meinung, dass die Ergreifung der Bosse nichts nutze, wenn nicht gleichzeitig das politische System bekämpft werde, das sie geschaffen oder ermöglicht haben. „Die am besten organisierte Kriminalität sitzt noch immer in der Regierung. Es sind all die Gouverneure, Minister und staatlichen Helfershelfer, die Chapos Ausbrüche ermöglicht und seine Finanznetze und Firmen unangetastet gelassen haben.“Das Netzwerk ist horizontal organisiert und funktioniert durch tausende Franchise-Ableger in der legalen Wirtschaft weiter. Auch Michael S. Vigil, Ex-Chef der internationalen Einsätze der DEA sagte einer Nachrichtenagentur, die Verhaftungen seien lediglich ein moralischer Sieg, jedoch ohne Auswirkungen auf die Geschäfte des Kartells.6

Die Regierung setzt größtenteils auf Militarisierung und Polizeieinsätze als Lösung für den Kampf gegen die Drogen und die Kartelle. Doch die Eskalation der Gewalt fordert noch mehr Menschenleben und treibt die Mordrate in die Höhe. Welche anderen Strategien gäbe es, die Macht der Drogenkartelle, insbesondere die des Sinaloa Kartells, zu schwächen und bestenfalls irgendwann komplett zu unterbinden? Jugendliche sehen einen großen Reiz bei der Mitarbeit in Kartellen, da sie sich feste Arbeitsplätze und gutes Einkommen versprechen, was sich auch oft bewahrheitet. Hier wäre es wichtig, mehr Geld in Bildung zu investieren und gegen die hohen Arbeitslosenraten anzukämpfen, um neue Perspektiven zu schaffen. Außerdem sollten Aufklärungs-, Präventions- und Aussteigerprogramme viel stärker subventioniert werden.

 

  1. ZDF Info: Mexikos schmutziger Drogenkrieg; Video nicht mehr in der Mediathek []
  2. Spiegel Online: US-Antidrogenbehörde soll mit Sinaloa-Kartell kooperiert haben; Artikel vom 15.01.14 []
  3. N-TV: Drogenkartelle zerreißen Mexiko; Artikel vom 10.10.10 []
  4. InSight Crime: Sinaloa Cartel Leader Arrested in Mexico City; Artikel vom 02.05.17 []
  5. Tagesschau: Mexikos aussichtsloser Kampf; Artikel vom 30.12.17 []
  6. Spiegel Online: Die Geschäfte laufen auch ohne den Boss; Artikel vom 26.01.16 []

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert