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Mexiko gehört zu den korruptesten Ländern Lateinamerikas. Regelmäßig schneidet das Land im jährlich von Transparency International erhobenen Corruption Perceptions Index besonders schlecht ab. Das Problem zieht sich durch die gesamte Gesellschaft. So gut wie alle Behörden sind davon betroffen, insbesondere das Justizsystem und die Polizei. Und auch das neu geschaffene System zur Korruptionsbekämpfung ist im Grunde nur Augenwischerei und verpufft wirkungslos. Das berichtet die New York Times, die sich auf die Aussagen von fünf Mitgliedern derjenigen Kommission stützt, die dem System vorsitzen. | Bild: © n.v.

Das mexikanische Anti-Korruptionssystem ist Augenwischerei

Mexiko gehört zu den korruptesten Ländern Lateinamerikas. Regelmäßig schneidet das Land im jährlich von Transparency International erhobenen Corruption Perceptions Index besonders schlecht ab. Das Problem zieht sich durch die gesamte Gesellschaft. So gut wie alle Behörden sind davon betroffen, insbesondere das Justizsystem und die Polizei. Und auch das neu geschaffene System zur Korruptionsbekämpfung ist im Grunde nur Augenwischerei und verpufft wirkungslos. Das berichtet die New York Times, die sich auf die Aussagen von fünf Mitgliedern derjenigen Kommission stützt, die dem System vorsitzen. | Bild: © n.v.

Mexiko gehört zu den korruptesten Ländern Lateinamerikas. Regelmäßig schneidet das Land im jährlich von Transparency International erhobenen Corruption Perceptions Index besonders schlecht ab. Das Problem zieht sich durch die gesamte Gesellschaft. So gut wie alle Behörden sind davon betroffen, insbesondere das Justizsystem und die Polizei. Und auch das neu geschaffene System zur Korruptionsbekämpfung ist im Grunde nur Augenwischerei und verpufft wirkungslos. Das berichtet die New York Times, die sich auf die Aussagen von fünf Mitgliedern derjenigen Kommission stützt, die dem System vorsitzen.123

Der Wunsch nach einer effektiven und wirkungsvollen Strategie zur Korruptionsbekämpfung ist in der mexikanischen Bevölkerung schon lange vorhanden und absolut verständlich. Regelmäßig sorgen Korruptionsfälle in dem mittelamerikanischen Land mit ihren teils schrecklichen Folgen international für Aufsehen. Doch obwohl Präsident Peña Nieto zu seinem Amtsantritt 2012 Maßnahmen versprochen hatte, ignorierte seine Regierung die Forderungen seiner Bürger lange Zeit einfach. Aber mehrere Skandale brachten sie in Bedrängnis.45

Zwei Korruptionsfälle schadeten Peña Nieto besonders. Zum einen der Ausbruch des ehemaligen Bosses des Sinaloa-Kartells, Joaquín „El Chapo“ Guzmán, aus dem Hochsicherheitsgefängnis El Altiplano durch einen 1,5 Kilometer langen Tunnel, dessen Erbauung ohne bestochene Gefängnismitarbeiter nicht möglich gewesen wäre. Seine Festnahme war für Peña Nieto als größter Triumph seiner Sicherheitspolitik gewertet worden. Doch die Flucht des Häftlings nach nur 16 Monaten weitete sich für den Präsidenten zu einer der größten Krisen seiner Amtszeit aus.4

Zum anderen das Verschwinden der 43 Studenten der Universität Ayotzinapa in Iguala im südöstlichen Bundesstaat Guerrero. Das größte Verbrechen der jüngeren Geschichte Mexikos sorgte über die Landesgrenzen hinaus für einen Aufschrei. Die Regierung versprach, den Fall aufzuklären, aber die Art und Weise, wie sie mit ihm umging, sorgte für Empörung. Denn obwohl die offizielle Version lautet, dass die Studenten von einem lokalen Drogenkartell in Komplizenschaft mit der korrupten örtlichen Polizei und einem ebenso korrupten Bürgermeisterpaar ermordet wurden, ist bis heute noch nicht die ganze Wahrheit ans Licht gebracht worden. Die wahren Täter wurden noch nicht gefasst und an der Regierungsversion kommen starke Zweifel auf.678

Eine von der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (IACHR) eingerichtete unabhängige Expertengruppe (GIEI) warf in ihrem finalen Bericht das Augenmerk auf ein mögliches Motiv. Die verschwundenen Studenten transportierten in ihrem Bus wahrscheinlich große Mengen Heroin, ohne dass sie davon wussten. Die Gruppe macht auch auf die fragwürdige Rolle des Militärs aufmerksam. Auch Anabel Hernández, die ein Buch über die Studenten schrieb, weist auf eine Mittäterschaft der Soldaten hin. Die Regierung habe die Wahrheit gekannt und die „historische Wahrheit“ erfunden, um sie zu vertuschen.678

Peña Nieto geriet zusätzlich durch die „Weißes Haus“-Affäre unter Druck, weil ein ihm nahestehender Bauunternehmer seiner Frau ein höchst lukratives Angebot für den Kauf einer teuren Villa unterbreitet hatte. Da sich die Skandale summierten, gab die Regierung nach und verkündete letztes Jahr im Juli unter großem Tamtam die Errichtung eines neuen Anti-Korruptionssystems, das auch in der Verfassung verankert wurde. Peña Nieto sprach von einer neuen „Ära für die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit“.29

Einfache Bürger sollten in einer fünfköpfigen Kommission an der Spitze dieses Systems stehen, um zu garantieren, dass dieses im Interesse der mexikanischen Bevölkerung handle. Diese Bürgerkommission sollte das System beaufsichtigen und anleiten. Als wichtigster Posten und Speerspitze im Kampf gegen die Korruption war die Schaffung eines unabhängigen Ermittlers vorgesehen. Zusätzlich sollten 18 Richter ernannt werden, die den Fällen vorsitzen würden.29

Doch seitdem hat sich Ernüchterung eingestellt, weil keine großen Fortschritte gemacht wurden. Weder wurden die Richter ernannt, noch hat der unabhängige Ermittler seinen Posten angetreten. Und laut einem Bericht der New York Times blockiert die mexikanische Regierung ihr eigenes Anti-Korruptionsystem, weil sie die Zusammenarbeit mit der Bürgerkommission weitestgehend verweigert.210

Bei allen großen Korruptionsfällen sehen sich die Kommissionsmitglieder laut eigenen Aussagen zahlreichen Hindernissen ausgesetzt und können deshalb ihrer Arbeit nicht nachgehen. Vor allem weigere sich die Regierung Ermittlungen, die sich gegen sie selbst richten, zuzulassen. José Octavio López, ein Mitglied der Kommission sagt, dass es den Regierungsbeamten nicht gefallen habe, als sie in Kenntnis gesetzt wurden, dass die Kommission unabhängig vorgehen wolle. „Sie sind es gewohnt, jemanden zu ernennen, den sie kontrollieren. Sie sind in Panik, dass wir vielleicht etwas aufdecken.“29

Luis Perez de Acha, ein weiteres Kommissionsmitglied, nennt das gesamte System einen „schlechten Witz“. Am Anfang sei er naiv gewesen und habe geglaubt, dass es wirklich funktionieren würde. „Jetzt weiß ich, dass sie versuchen alles zu sabotieren, was wir tun.“29

Die Mitglieder beschweren sich, dass sie in der Praxis machtlos seien. Denn das Anti-Korruptionssystem besteht aus sieben unterschiedlichen Gremien, von denen die Bürgerkommission eines darstellt. Wichtige Entscheidungen müssen sie im Einklang treffen. Doch da die sechs anderen Gremien verschiedene staatliche Instanzen, und somit meist nur ein verlängerter Arm der Regierung sind, kann die Kommission einfach überstimmt werden. So wird das ganze System ausgehebelt. Das sieht auch die Präsidentin der Bürgerkommission so, die eigentlich auch dem gesamten System vorsitzt. „Mir wurde die gesamte Verantwortung übertragen, aber ohne jegliche Macht.“ Das Motto laute: „Sie gegen mich“.29

Beispielhaft sieht man das an einem Fall, als die Kommission weitere Informationen über den Überwachungsskandal erhalten wollte, der Mexiko vor einigen Monaten erschütterte. Damals kam ans Licht, dass die Regierung hochmoderne Spionagesoftware erworben hatte. Unter dem Vorwand der Bekämpfung von Terroristen und Drogenkartellen setzte sie sie in dutzenden Fällen zur systematischen Überwachung von Menschenrechtlern, Regierungskritischen, Journalisten und auch Anti-Korruptionsaktivisten ein. Sogar das Expertengremium, das das Verschwinden der 43 Studenten untersuchte, sollte ausspioniert werden. Doch die anderen Gremien lehnten die Forderung der Kommission ab. Brisant ist, dass einer der Gremiumsvertreter, der ablehnte, zu dem Zeitpunkt des Skandals amtierender Generalstaatsanwalt war.291112

Trotz allem wollen die Kommissionsmitglieder weitermachen. Eine von ihnen, Mariclaire Acosta, sagt: „Ich werde nicht aufgeben.“ Perez de Acha meint, sie könnten nicht einfach mit verschlossenen Armen sitzen bleiben. „Wir sind konstitutionell legitimiert.“29

  1. The Guardian:Mexican anger over corruption deepens – but will politicians change their ways?; Artikel vom 29.10.17 []
  2. New York Times: Mexico’s Government Is Blocking Its Own Anti-Corruption Drive, Commissioners Say; 02.12.17 [] [] [] [] [] [] [] [] []
  3. Transparency International: People and Corruption: Latin America and the Caribbean; veröffentlicht am 09.10.17 []
  4. Zeit Online: Ausbruch mit Ansage; Artikel vom 18.07.15 [] []
  5. New York Times: Using Texts as Lures, Government Spyware Targets Mexican Journalists and Their Families; Artikel vom 19.06.17 []
  6. The Intercept: Three Years After 43 Students Disappeared in Mexico, a New Visualization Reveals the Cracks in the Government’s Story; Artikel vom 07.09.17 [] []
  7. Spiegel Online: Das Bataillon und der Drogenbaron; Artikel vom 01.02.17 [] []
  8. Tagesschau: Seit drei Jahren verschwunden; Artikel vom 26.09.17 [] []
  9. Mexico News Daily: Government blocking anti-corruption efforts; Artikel vom 02.12.17 [] [] [] [] [] [] []
  10. Mexico News Daily: Government blocking anti-corruption efforts; Artikel vom 02.12.17 []
  11. New York Times: Using Texts as Lures, Government Spyware Targets Mexican Journalists and Their Families; Artikel vom 19.06.17 []
  12. Mexico News Daily: Spyware identified on critic’s smartphones; Artikel vom 19.06.17 []

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