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Avocados sind mittlerweile aus unseren Supermärkten nicht mehr wegzudenken. Die Nachfrage nach der grünen Frucht steigt seit Jahren weltweit, vor allem in den USA, Europa und Asien, was zu steigenden Preisen führt. Mexiko ist der größte Avocadoproduzent der Welt. 2016 betrug die Jahresproduktion 1,6 Millionen Tonnen, die Anbauflächen wurden seit einigen Jahren stark erweitert. Seit 2005 sind die mexikanischen Avocadoexporte um 400 Prozent gestiegen, allein die USA nehmen 80 Prozent der Früchte ihres Nachbarstaats ab. 1,5 Milliarden Dollar konnte Mexiko letztes Jahr mit Avocados einnehmen. Das klingt nach einem enormen Segen für das Land. Doch die dadurch ausgelösten blutigen Konflikte sowie die Umweltbelastung stellen Mexiko vor enorme Probleme. | Bild: © n.v.

Wie in Tancítaro eine Bürgerwehr aus Avocadobauern ein Drogenkartell vertrieb

Avocados sind mittlerweile aus unseren Supermärkten nicht mehr wegzudenken. Die Nachfrage nach der grünen Frucht steigt seit Jahren weltweit, vor allem in den USA, Europa und Asien, was zu steigenden Preisen führt. Mexiko ist der größte Avocadoproduzent der Welt. 2016 betrug die Jahresproduktion 1,6 Millionen Tonnen, die Anbauflächen wurden seit einigen Jahren stark erweitert. Seit 2005 sind die mexikanischen Avocadoexporte um 400 Prozent gestiegen, allein die USA nehmen 80 Prozent der Früchte ihres Nachbarstaats ab. 1,5 Milliarden Dollar konnte Mexiko letztes Jahr mit Avocados einnehmen. Das klingt nach einem enormen Segen für das Land. Doch die dadurch ausgelösten blutigen Konflikte sowie die Umweltbelastung stellen Mexiko vor enorme Probleme. | Bild: © n.v.

Avocados sind mittlerweile aus unseren Supermärkten nicht mehr wegzudenken. Die Nachfrage nach der grünen Frucht steigt seit Jahren weltweit, vor allem in den USA, Europa und Asien, was zu steigenden Preisen führt. Mexiko ist der größte Avocadoproduzent der Welt. 2016 betrug die Jahresproduktion 1,6 Millionen Tonnen, die Anbauflächen wurden seit einigen Jahren stark erweitert. Seit 2005 sind die mexikanischen Avocadoexporte um 400 Prozent gestiegen, allein die USA nehmen 80 Prozent der Früchte ihres Nachbarstaates ab. 1,5 Milliarden Dollar konnte Mexiko letztes Jahr mit Avocados einnehmen. Das klingt nach einem enormen Segen für das Land. Doch die dadurch ausgelösten blutigen Konflikte sowie die Umweltbelastung stellen Mexiko vor enorme Probleme.1234

Innerhalb Mexikos konzentrieren sich die Avocadoanbauflächen auf den Bundesstaat Michoacán, wo zwischen 80 und 90 Prozent der gesamten Jahresernte des Landes eingefahren wird. Mehr als die Hälfte der ökonomischen Aktivitäten beruhen hier allein auf der grünen Frucht. Michoacán ist wegen des milden Klimas, der Höhenlage und der vulkanischen Böden perfekt für den Anbau geeignet. Hier wachsen das ganze Jahr über Avocados, sodass vier Mal geerntet werden kann, ein enormer Vorteil gegenüber der Konkurrenz aus anderen Ländern. Der Großteil der Anbauflächen im Bundesstaat befindet sich in der Meseta Purépecha, einer weitläufigen Hochebene. Hier liegt Tancítaro, 30.000 Einwohner, die Avocadohauptstadt der Welt. Eine Stadt, in der sich alles um die grüne Frucht dreht, die von ihr abhängig ist. Lange Zeit über war Tancítaro sehr arm, es gab viele Arbeitslose. Wer konnte, verließ die Stadt auf der Suche nach einem besseren Leben.124

Dann kam der Avocadoboom. Die Exporte der Frucht stiegen auf einmal um das Dreißigfache. Die Nachfrage ist mittlerweile so hoch, dass sie kaum gedeckt werden kann. 300 Millionen Euro nimmt die Stadt jährlich durch Avocados ein. Das grüne Gold, so nennt man die Frucht deswegen hier.124

Doch die Möglichkeit, mit Avocados zu viel Geld zu kommen, blieb nicht unbemerkt. Die Avocadoproduzenten Mexikos gerieten in den Fokus der Drogenkartelle. Michoacán und Tancítaro sind davon bis heute besonders betroffen.1224

Durch Michoacán führen mehrere Drogenschmuggelrouten in Richtung Norden, außerdem ist die Hafenstadt Lázaro Cárdena ein Umschlagplatz für Heroin und Kokain. Doch der Avocadoboom ist der Hauptgrund dafür, dass sich die Kartelle für den Bundesstaat interessieren. Denn längst konzentrieren sie sich nicht mehr nur auf ihr Kerngeschäft, den Drogenhandel. Mit Avocados können sich die Kartelle zusätzlich diversifizieren, sie bieten eine alternative Möglichkeit, an Geld zu gelangen.123

Das Kartell Jalisca Nueva Generacíon und Los Cuinis gehörten in den 1990er Jahren zu den ersten, die das erkannten. Damals nahm der Avocadoboom gerade seinen Anfang, nachdem mit dem Nordamerikanischen Freihandelsabkommen NAFTA in den USA die Importrestriktionen auf mexikanische Avocados aufgehoben wurden. Die Kartelle suchten Avocadobauern auf und begannen damit, sie systematisch zu erpressen. Ihnen wurde gedroht, dass sie und ihre Familie getötet werden würden, sollten sie sich weigern zu zahlen.35

In Michoacán dominierte jahrelang die Familia Michoacana. Doch als der Boss des Kartells getötet wurde, brach es zusammen, was die Tür für andere kriminelle Gruppen öffnete. Los Caballeros Templarios, die Tempelritter traten auf den Plan. Sie brachten die Gewalt mit sich. Vor allem Tancítaro wurde hart getroffen. Die Tempelritter begannen, Steuern auf Avocadoernten zu erheben. Sie schüchterten die Avocadobauern ein und verlangten Schutzgeld. Wer sich weigerte zu zahlen, wurde entführt und später meistens tot aufgefunden. Unter den Menschen, die ihr Leben verloren, waren auch viele Kinder. Viele Personen werden noch immer vermisst.31

In einem Gespräch mit dem TV-Magazin „Envoyé spécial“ des französischen Fernsehsenders France 2 berichtet ein Avocadobauer, der anonym bleiben will, dass die Tempelritter einen Anteil von 10 Prozent an jeder Avocadoernte verlangt hätten. Jede Woche habe es mindestens eine Entführung gegeben.1

Die Bürger von Tancítaro fühlten sich von der Polizei im Stich gelassen. Also nahmen sie ihren Schutz selbst in die Hand und beschlossen, der Herrschaft der Tempelritter ein Ende zu bereiten. 2013 griffen sie zu den Waffen und gründeten eine Bürgerwehr. Barrikaden wurden aufgebaut, früher noch aus Sandsäcken und Steinen. Mittlerweile wirken sie mit ihren massiven Mauern eher wie Bunker. An den Zugangsstraßen zur Stadt wurden Checkpoints errichtet. Tag und Nacht wird hier jedes Fahrzeug auf verdächtige Personen kontrolliert. Fernando Hernández, der Großproduzent mit dem Spitznamen „Sheriff“, hat die Avocadoproduzenten vereint und die Bürgerwehr organisiert. Zu den Reportern von Envoyé spécial sagt er: „Wenn du unsere Stadt besuchen willst, bist du willkommen, dann ist alles in Ordnung. Wenn du uns schaden willst, musst du verschwinden.“14

Ein Jahr lang dauerten die Kämpfe mit den Tempelrittern, bis das Kartell schließlich vertrieben wurde. Seitdem ist in Tancítaro Stabilität eingekehrt, doch die Ruhe ist trügerisch. Jeder Einwohner der Stadt weiß, dass man hier permanent Gefahr ausgesetzt ist. Die Kartelle könnten jederzeit nach Tancítaro zurückkehren. Deswegen patrouillieren weiterhin bewaffnete Bürger in der Stadt und auf den Plantagen. Sie sagen, dass sie erst ihre Waffen niederlegen werden, wenn der Staat und die Bundesregierung ihre Sicherheit garantieren können.14

Die Kartelle haben derweil selbst angefangen, Avocados anzubauen – das jedoch auf illegale Weise, denn seit zehn Jahren wurden dadurch 170.000 Hektar Wald abgeholzt, ein ökologisches Desaster. Laut Jaime Chávez, der Sprecher des Umweltministeriums von Michoacán, destabilisiere das das gesamte Ökosystem. Mittlerweile mobilisiert der Staat Polizei und Militär, um dagegen vorzugehen. Die Avocadobäume der Kartelle werden ausgerissen.1

  1. franceinfo: Les avocats du diable; veröffentlicht am 21.09.17 [] [] [] [] [] [] [] [] [] []
  2. taz: Grün, beliebt, zerstörerisch; Artikel vom 27.09.16 [] [] [] [] [] []
  3. Newsweek: Mexican Cartels Used Government Data to Kidnap and Extort Avocado Farmers; Artikel vom 30.10.17 [] [] [] []
  4. The Guardian: Mexico’s avocado army: how one city stood up to the drug cartels; Artikel vom 18.05.17 [] [] [] [] [] []
  5. InSight Crime: Powerful Mexico Crime Groups Grew by Extorting Avocado Trade: Report; Artikel vom 1.11.17 []

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