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Kolumbien: Kokain-Explosion heizt politische und soziale Krisen an

Kokain gehört zu einer der gefragtesten Drogen der Welt. Das Produktionszentrum befindet sich in der Andenregion Kolumbiens, Perus und Boliviens. Dort werden jedes Jahr hunderte von Tonnen des weißen Pulvers produziert und an Verbrauchermärkte in der ganzen Welt versandt. | Bild: © n.v.

Kokain gehört zu einer der gefragtesten Drogen der Welt. Das Produktionszentrum befindet sich in der Andenregion Kolumbiens, Perus und Boliviens. Dort werden jedes Jahr hunderte von Tonnen des weißen Pulvers produziert und an Verbrauchermärkte in der ganzen Welt versandt. Alles beginnt mit den hellgrünen Blättern der Koka-Pflanze. In der heutigen Zeit steht diese im Zentrum internationaler Auseinandersetzungen zwischen ehemals historischen Verbündeten und ist in innerstaatliche Konflikten verwickelt. So hatte Kolumbien in den letzten Jahren seinen Titel als weltgrößter Kokainproduzent wieder zurückerobert.

Die Herstellung der Droge hatte dort eine beispiellose Expansion erfahren. Und in der Tat hat die dortige Kokaexplosion die globale Kokainproduktion quasi im Alleingang ansteigen lassen, während zum Beispiel die „Koka-Levels“ in Peru und Bolivien in den letzten zehn Jahren leicht gesunken sind. Kolumbiens illegaler Anbau wuchs zwischen 2015 und 2016 um mehr als 50 Prozent, von 96.000 Hektar auf 146.000 Hektar. So berichten das allenfalls die Vereinten Nationen. Nach Schätzungen der USA stieg die Anbaufläche sogar auf 188.000 Hektar. Insight Crime schrieb dazu: „Keine Regierung oder Nichtregierungsorganisation hat eine derart hohe Koka-Produktion in Kolumbien geschätzt, seit die Aufzeichnungen über dieses Thema weitergeführt wurden.“ Illegale Gruppierungen üben weiterhin starken Druck auf die Bauern aus, die illegale Pflanze in einigen Gebieten anzubauen. Aber auch Farmer, die nicht bedroht werden, bauen ihre Ernten wegen fehlender Alternativen aus, in der Hoffnung, im Ergebnis damit staatliche Unterstützung zu ergattern. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass die tatsächlichen Koka-Ernten-Werte in vielen Bereichen weit über den offiziellen Schätzungen liegen.

Kokainproduzenten finden immer innovativere Wege, die Droge zu verarbeiten. Somit erhöht sich wiederum der Drogen-Ertrag pro Hektar. Den Recherchen von Insight Crime zufolge produziert Kolumbien pro Jahr rund 1.200 Tonnen des weißen Pulvers. Aufgrund dieser Menge, die das Land verlassen, steigt der Druck auf die Regierung in Bogotá, das Problem endlich zu lösen. Seither hatte die Regierung jedoch einige fragwürdige Entscheidungen getroffen, um dies zu erreichen. So beinhaltete das Friedensabkommen mit den FARC vom November 2016 ein Versprechen, die sogenannten Substitutionsprogramme für Bauern zu ermöglichen, um ihr Koka freiwillig für legale Alternativen zu entwurzeln. Jedoch verlief der Prozess nicht so, wie er es sollte. Anstatt sich auf diese sanftere Herangehensweise zu konzentrieren, entschied sich die kolumbianische Regierung für eine zweigleisige Politik für das Jahr 2017: Einerseits Verhandlungen mit den Landwirten, andererseits gleichzeitig verstärkt forcierte Ausrottungsmaßnahmen. InSight Crime schrieb im Januar 2017, dass die kolumbianische Regierung damals plante, 100.000 Hektar Koka auszurotten, obwohl es am Ende nur 17.593 Hektar wurden. Dem entgegnete der Präsident Kolumbiens, Juan Manuel Santos, in einer für das Jahr 2017 abschließenden Erklärung, dass das ehrgeizige Ziel 50.000 Hektar mit Waffen „zu entwurzeln“, sogar übertroffen wurde. Er hatte deshalb ein neues Ziel eingeläutet: 65.000 Hektar gewaltsame Koka-Vernichtung für das Jahr 2018.

Wie zu erwarten, führte dieses Vorgehen zu heftigen Protesten der lokalen Kokabauern gegen die vorgenommene Zerstörung, oftmals mit blutigen Folgen. Im Oktober beispielsweise massakrierten staatliche Sicherheitskräfte mehrere protestierende Bauern in der vom Kokaanbau geplagten Gemeinde Tumaco, die sich im westlichen Departement Nariño befindet. Die Opfer in Tumaco sind die zahlreichsten, die bei einem solchen Vorfall ihren Wunden erlagen. Und es könnte darauf hindeuten, dass die kolumbianische Regierung – unter starkem Druck der Vereinigten Staaten von Amerika – sich diesen schwereren Maßnahmen zuwendet, um ihr Eradikationsziel zu erreichen.

Es gibt aber keine eindeutigen Hinweise darauf, dass die Zerstörung von Kokafeldern zu einer dauerhaften Reduzierung der Kokainmenge führen wird. Die erzwungenen Eradikationszahlen aus dem letzten Jahr könnten einfach aufgebläht worden sein, um die Bemühungen erfolgreicher erscheinen zu lassen, als sie tatsächlich waren. Nachdem die USA viele Gelder in Kolumbiens Problem investiert hatten, erwarten diese nämlich weit bessere Ergebnisse als die von Insight Crime aufgeführten 17.593 Hektar. Und tatsächlich spiegelt die Innenpolitik Kolumbiens nicht alle Auseinandersetzungen wieder. Die USA selbst streiten schon seit längerer Zeit mit der kolumbianischen Regierung über die bisher erreichten Maßnahmen und Ziele. Und anstatt die Präventionsbemühungen im eigenen Land voranzutreiben, beschuldigten US-Beamte Kolumbien aufgrund des ihrer Meinung nach schon gescheiterten „Anti-Drogen-Ansatzes“ scharf und drohten, den Staat auf die „schwarze Liste zu setzen“. Im August 2017 ging der oberste US-Diplomat sogar so weit und warnte, dass „bilaterale politische Probleme“ aus den unterschiedlichen Meinungen zum Umgang des Drogenproblems zwischen den USA und Kolumbien resultieren könnten.

Eine entscheidende „Meinungsverschiedenheit“ ist die Luftbegasung der Koka-Pflanzen. Es ist eine Praxis, die die kolumbianische Regierung 2015 aus gesundheitlichen Gründen verboten hat. Die Vereinigten Staaten pochen und pochten jedoch auf die Wiederaufnahme der Besprühung aus der Luft, noch bevor Donald Trump das Amt des US-Präsidenten antrat. Trump macht Kolumbien für das Scheitern des Antidrogenkampfes verantwortlich und möchte deshalb die finanzielle Unterstützung für den südamerikanischen Staat kürzen. Im Jahr 2018 finden die kolumbianischen Präsidentschaftswahlen statt, und wenn hier die Opposition an die Macht kommt, könnten sich die Versprechungen des Friedensvertrages von 2016 komplett verabschieden. Die Opposition wird eine viel stärkere bewaffnete Antidrogenpolitik einsetzen, und so die kompletten „Anforderungen“ der USA, die nicht mehr zum Erfolg führen werden, sondern in einem neuen Krieg enden, ausführen. 1)

Fußnoten (Hinweise, Quellen, Links)

  1. InSight Crime: GameChangers 2017: Colombia´s Cocaine Explosion Stokes Political and Social Crisis; Artikel vom 3.1.2018

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