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Honduras: neue Beweise für Verstrickungen mit Drogennetzwerk bringen Ex-Präsident Porfirio Lobo weiter in Bedrängnis

Fast ein Jahr ist es her, dass Devis Leonel Rivera Maradiaga mit seinen Aussagen bei einer Anhörung vor einem New Yorker Gericht für Aufsehen sorgte. Der Drogenboss, der früher zusammen mit seinem Bruder Javier an der Spitze der Cachiros, des ehemals mächtigsten honduranischen Drogennetzwerks, stand, deckte ein derartiges Ausmaß an Korruption in der politischen und wirtschaftlichen Elite Honduras auf, dass ein Staatsanwalt von einem „vom Staat gesponserten Drogenhandel“ sprach. | Bild: © n.v.

Fast ein Jahr ist es her, dass Devis Leonel Rivera Maradiaga mit seinen Aussagen bei einer Anhörung vor einem New Yorker Gericht für Aufsehen sorgte. Der Drogenboss, der früher zusammen mit seinem Bruder Javier an der Spitze der Cachiros, des ehemals mächtigsten honduranischen Drogennetzwerks, stand, deckte ein derartiges Ausmaß an Korruption in der politischen und wirtschaftlichen Elite Honduras auf, dass ein Staatsanwalt von einem „vom Staat gesponserten Drogenhandel“ sprach. Der vor einigen Wochen im Amt bestätigte Präsident des Landes, Juan Orlando Hernández, dessen Wiederwahl aufgrund von anhaltenden Manipulations- und Wahlfälschungsvorwürfen heftige Proteste nach sich zog – bisher wurden bei landesweiten Demonstrationen über 40 Personen ermordet –, hat zwar in seiner ersten Amtszeit mit seiner Sicherheitspolitik durchaus Erfolge für sich verbuchen können. Die Mordrate ging um 40 Prozent zurück, einige der mächtigsten Drogennetzwerke des Landes wurden zerschlagen. Doch das Korruptionsproblem hat er nicht in den Griff bekommen. Honduras liegt nicht umsonst auf Platz 123 von 176 des von Transparency International erstellten Corruption Perceptions Index. Die Carnegie Stiftung für den internationalen Frieden sprach in einem Bericht von Korruption als dem honduranischen „Betriebssystem“. 1) 2) 3) 4) 5)

Leonel Rivera sagte vor Gericht aus, weil er zuvor mit seinem Bruder einen Deal mit der DEA abgeschlossen hatte. Er gestand die 78 Morde, an denen er direkt oder indirekt beteiligt war und lieferte Informationen über die korrumpierte honduranische Elite. Im Gegenzug wurde ihm ein nachsichtigerer Prozess angeboten. Durch Riveras Enthüllungen konnte Fabio Lobo, der Sohn des honduranischen Ex-Präsidenten Porfirio Lobo, überführt und in den USA zu 24 Jahren Haft verurteilt werden. Er hatte eng mit den Cachiros zusammengearbeitet, Drogenlieferungen koordiniert und den Schmugglern freies Geleit zum Umgehen von Straßensperren der Anti-Drogen-Behörden zugesichert. 1) 6)

Auch Fabio Lobos Vater geriet nach Riveras Anhörung in den Fokus der US-amerikanischen und honduranischen Ermittler. Während der Präsidentschaftswahl 2009 suchten die Rivera-Brüder Kontakt zum damaligen Kandidaten Porfirio Lobo, weil sie sich vor einer drohenden Auslieferung in die USA fürchteten. Sie zahlten ihm, so erzählte es Leonel Rivera vor Gericht, Schmiergeld in Höhe von 250.000 US-Dollar. Daraufhin sagte Lobo den Brüdern, sie sollten sich keine Sorgen machen, weil während seiner vierjährigen Amtszeit niemand ausgeliefert werden würde. Nachdem er die Präsidentschaftswahl gewonnen hatte, erhielt er von den Riveras noch mindestens zwei Mal ähnliche Summen. 1)

Unmittelbar nach Riveras Aussagen eröffnete die honduranische Generalstaatsanwaltschaft eine Ermittlung gegen Porfirio Lobo. Der Ex-Präsident selbst bestreitet, wie auch sein Anwalt, alle Vorwürfe. Bislang gestaltete sich der Fall für die Behörden schwierig, weil es trotz der Aussagen des Drogenbosses noch nicht genug Beweise für einen Prozess gab. 7) 1)

Doch nun ist die Mission zur Unterstützung des Kampfes gegen die Korruption und Straflosigkeit in Honduras (Misión de Apoyo contra la Corrupción y la Impunidad en Honduras), kurz MACCIH, laut der spanischen Tageszeitung El País im Besitz von belastendem Material, durch welches Lobo schlussendlich überführt werden könnte. Die Mission wurde von der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) eingesetzt, um den honduranischen Behörden unterstützend zur Seite zu stehen und kann unabhängig sowie mit voller Autonomie agieren. 8) 9)

Die MACCIH kann offenbar belegen, dass Porfirio Lobo von Unternehmen, die den Cachiros gehörten, Schmiergeld erhielt und diese anschließend bei der Verteilung von Staatsaufträgen, meist für Infrastrukturprojekte, bevorzugte. Auch Leonel Rivera hatte bei seiner Anhörung berichtet, dass der Ex-Präsident ihn und seinen Bruder dazu ermutigt habe, legale Firmen aufzubauen, um an öffentlichen Ausschreibungen teilnehmen zu können. Für beide Seiten war dieses Geschäft eine Win-Win-Situation. Lobo erhielt weiteres Schmiergeld, die Cachiros konnten mit Hilfe ihrer legalen Unternehmen ihr Drogengeld waschen. 8) 1)

Somit bestätigen sich auch vergangene Berichte, nach denen die Lobo-Regierung zwischen 2010 und 2014 Staatsaufträge im Wert von mehreren Millionen US-Dollar an Cachiros-Firmen verteilt haben soll. Demnach erhielten die Cachiros mit ihren legalen Unternehmen die Erlaubnis für die Durchführung von 28 großen Infrastrukturprojekten, nachdem im Jahr 2010 der zerstörerische tropische Sturm Agatha Teile von Honduras verwüstet hatte. Das erlaubte es dem Drogennetzwerk etwa 6,5 Millionen US-Dollar aus illegalen Geschäften zu waschen. Als weiteres Beispiel dient der staatliche Bundesstraßen-Fonds Fond Vial, der Firmen der Cachiros insgesamt 4 Millionen US-Dollar für die Instandhaltung von Straßen in den honduranischen Departamentos Colón, Olancho und Yoro zahlte. 7) 10)

Bisher haben weder die MACCIH noch die honduranische Generalstaatsanwaltschaft den Bericht von El País offiziell bestätigt. Sollten sich die Meldungen bewahrheiten, würde das aufzeigen, dass die Unterstützung der honduranischen Justiz durch die MACCIH etwas bewirkt. Trotz aller Widrigkeiten – denn die Politik leistet entschiedenen Widerstand gegen Ermittlungen wegen Korruptionsvorwürfen. 8)

Im Januar verabschiedete der von der Regierungspartei PNH (Partido Nacional de Honduras) dominierte Kongress ein Dekret, das die Möglichkeiten der Justiz und der MACCIH in Korruptionsfällen stark einschränkt. Der honduranische Rechnungshof hat ab sofort drei Jahre lang Zeit, um eine Untersuchung durchzuführen, wenn staatliche Gelder durch Funktionäre oder Kongressabgeordnete veruntreut werden. In dieser Zeitspanne darf die Justiz nicht gegen Beschuldigte ermitteln. Das Dekret bezieht sich zudem rückwirkend auf die letzten drei Amtszeiten mit Beginn im Jahr 2006 und betrifft somit auch bereits begonnene Untersuchungen. 11) 12)

Dennoch hat der honduranische Generalstaatsanwalt scheinbar genug Einfluss, um zumindest teilweise gegen die politische Elite des Landes vorzugehen. Den Quellen zufolge, die El País zitiert, habe die Ermittlung gegen Lobo „einen Großteil der politischen Klasse sehr nervös“ gemacht. Sollte die honduranische Justiz einen Weg finden, trotz des Dekrets die Fälle anderer korrumpierter honduranischer Politiker zu untersuchen, könnte das auch Präsident Juan Orlando Hernández Sorge bereiten, der ebenfalls unter Korruptionsverdacht steht. Doch um die Anti-Korruptionskampagne erfolgreich fortführen zu können, wird sich die MACCIH mit weiteren Problemen auseinandersetzen müssen. Denn im August wird der Kongress einen neuen Generalstaatsanwalt bestimmen. Und da er von der PNH dominiert wird, von der viele Mitglieder ebenfalls Gelder veruntreut oder Bestechungszahlungen erhalten haben sollen, ist es nicht besonders wahrscheinlich, dass ein Kandidat den Posten bekommt, der den Kampf gegen die Korruption in gleicher Weise fortzuführen gedenkt wie sein Vorgänger. 8) 12)

Fußnoten (Hinweise, Quellen, Links)

  1. Drogen Macht Welt Schmerz: Honduras: Ex-Präsident und Präsident unter Korruptionsverdacht; Artikel vom 13.10.17
  2. Amerika 21: Honduras: Keine Ruhe nach Amtsantritt von Präsident Hernández; Artikel vom 08.02.18
  3. InSight Crime: Corruption and Impunity Allegations Seed Doubts for Second Term of Honduras President; Artikel vom 26.01.18
  4. Transparency International: Corruption Perceptions Index 2016; veröffentlicht am 25.01.17
  5. InSight Crime: Corruption Is the ‚Operating System‘ in Honduras: Report; Artikel vom 12.06.17
  6. New York Times: After 78 Killings, a Honduran Drug Lord Partners With the U.S.; Artikel vom 07.10.17
  7. InSight Crime: Contracts Awarded to Honduras Drug Clan Illustrate Cyclical Corruption; Artikel vom 09.03.17
  8. InSight Crime: Honduras Anti-Graft Body Closing In on Ex-President: Report; Artikel vom 06.02.18
  9. OAS: Mission to Support the Fight against Corruption and Impunity in Honduras; Stand 12.02.18
  10. InSight Crime: Honduras Crime Group Used Natural Desaster to Launder Money; Artikel vom 29.03.17
  11. Amerika 21: Parlament in Honduras stoppt Korruptionsermittlungen; Artikel vom 27.01.18
  12. InSight Crime: Honduras Attorney General, Civil Society Challenge ‚Impunity Pact‘; Artikel vom 05.02.18

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