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Kolumbien: Vorwürfe gegen Vorstandsmitglieder stürzen FARC in tiefe Krise

Zwei Vorfälle innerhalb weniger Wochen haben die ehemalige kolumbianische Guerillaorganisation FARC, die sich nach dem Friedensvertrag mit der kolumbianischen Regierung Ende 2016 zu einer politischen Partei gewandelt hat, in eine tiefe Krise gestürzt. Vor einigen Tagen berichtete das Wall Street Journal, dass US-amerikanische und kolumbianische Behörden wegen seiner Verwicklung in den Drogenhandel gegen einen Ex-Kommandanten der FARC, Luciano Marín Arango, alias „Iván Márquez“, ermitteln würden. | Bild: © n.v.

Zwei Vorfälle innerhalb weniger Wochen haben die ehemalige kolumbianische Guerillaorganisation FARC, die sich nach dem Friedensvertrag mit der kolumbianischen Regierung Ende 2016 zu einer politischen Partei gewandelt hat, in eine tiefe Krise gestürzt. Vor einigen Tagen berichtete das Wall Street Journal, dass US-amerikanische und kolumbianische Behörden wegen seiner Verwicklung in den Drogenhandel gegen einen Ex-Kommandanten der FARC, Luciano Marín Arango, alias „Iván Márquez“, ermitteln würden. Die Vorwürfe gegen ihn stützen sich laut dem WSJ auf ein Handyvideo, das Márquez im Gespräch mit einem Mitstreiter eines bekannten mexikanischen Drogenhändlers zeigen soll. Allerdings dementierte der kolumbianische Generalstaatsanwalt auf Twitter die Meldung. Gegen den ehemaligen Guerillero seien aktuell keine Ermittlungen eingeleitet worden. Márquez, der ein Mitglied der Verhandlungstruppe der Friedensgespräche mit der kolumbianischen Regierung in Havanna war, ist ein Teil des Vorstands und politischer Berater der FARC. 1)

Zuvor war bereits ein weiteres Vorstandsmitglied der FARC, Seuxis Paucis Hernández Solarte, alias „Jesús Santrich“, in Kolumbien verhaftet worden, nachdem vor einem US-Gericht gegen ihn Anklage erhoben worden war. Ihm und drei anderen Ex-Guerilleros wird vorgeworfen, an der Planung des Transports von zehn Tonnen Kokain in die USA beteiligt gewesen zu sein. Gegen alle vier Beschuldigten lag ein internationaler Haftbefehl vor. Die USA fordern ihre Auslieferung. 2) 3)

Santrichs Verhaftung könnte sich zu einer ernsthaften Belastungsprobe für die im Rahmen des Friedensvertrags geschaffene Sonderrechtsprechung für den Frieden („Justicia Especial para la Paz“ – JEP) entwickeln. Die JEP nimmt sich unter anderem durch FARC-Mitglieder begangene Kriegsverbrechen, Menschenrechtsverletzungen und teilweise auch Drogenvergehen an. Das besondere Augenmerk soll mit der JEP auf die Opfer des Konflikts gelegt, Geständnisse und Reparationen sollen erleichtert werden. Verurteilte sitzen ihre Strafe nicht in Gefängnissen ab, sondern müssen beispielsweise mehrere Jahre in bestimmten Gemeinden arbeiten und ihre Opfer entschädigen. Von der JEP werden allerdings nur Verbrechen behandelt, die vor der Unterzeichnung des Friedensvertrags begangen wurden. 4) 5)

Präsident Juan Manuel Santos gab nach der Verhaftung Santrichs bekannt, dass kein ehemaliges FARC-Mitglied für Verbrechen ausgeliefert werden würde, die vor der Unterzeichnung des Friedensvertrags begangen wurden. Straftaten, die erst danach begangen wurden, würden aber anders bewertet werden. „Wer nach Unterzeichnung des Friedensvertrags Verbrechen begeht, darf nicht auf Toleranz hoffen und wird der herkömmlichen Justiz unterstellt.“ Falls es eindeutige Beweise geben sollte, werde er nicht zögern, die Auslieferung zu genehmigen, sagte Santos. Somit könnte er einen Präzedenzfall schaffen. Seit der Unterzeichnung des Friedensabkommens waren die Haftbefehle und Auslieferungsersuche der USA ausgesetzt worden. 3) 2) 6)

Somit könnte es auch für Márquez brenzlig werden, sollten sich die Vorwürfe gegen ihn erhärten. Denn das Handyvideo soll erst nach der Unterzeichnung des Friedensvertrags aufgenommen worden sein. 1)

Márquez sollte ursprünglich einen der zehn Sitze im kolumbianischen Kongress übernehmen, die der FARC mit dem Friedensvertrag zugesprochen wurden. Doch nach der Verhaftung Santrichs gab er bekannt, dass er aus Protest seinen Posten nicht antreten werde. Die Vorwürfe gegen ihn und Santrich weist er als „politische Inszenierung“ zurück. Sie seien ein Versuch, den Friedensvertrag zu diskreditieren. Er wolle nicht als Drogenhändler diffamiert werden. Es gehe ihm darum, in einen echten Friedenprozess einzutreten, in dem alle in Havanna ausgehandelten Vereinbarungen umgesetzt werden. 7)

Fußnoten (Hinweise, Quellen, Links)

  1. InSight Crime: Amid Colombia Peace Deal Shake-Up, Second FARC Leader Targeted: Report; Artikel vom 04.05.18
  2. Amerika 21: Vorstandsmitglied der Farc-Partei in Kolumbien festgenommen; Artikel vom 10.04.18
  3. InSight Crime: Dire Outlook for Colombia Peace Process After FARC Leader’s Arrest; Artikel vom 10.04.18
  4. Konrad Adenauer Stiftung: Ein Jahr nach dem Friedensvertrag in Kolumbien; Artikel vom 15.11.17
  5. Colombia Reports: Everything you need to know about Colombia’s transitional justice system; Artikel vom 25.09.17
  6. Deutsche Welle: Ex-FARC-Kommandant wegen Drogenschmuggels festgenommen; Artikel vom 10.04.18
  7. Amerika 21: Farc-Politiker Santrich in Kolumbien weiter im Hungerstreik; Artikel vom 03.05.18

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