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Bangladesch: Radikaler Anti-Drogenkurs hintergeht das Recht der Bürger auf eine faire Gerichtsbarkeit

Das zwischen Indien und Myanmar gelegene Land Bangladesch steht seit einiger Zeit vor großen Herausforderungen. Diese sind nicht nur schwer zu lösen, sondern stellen auch eine Gefahr für die Zukunft dar. Da ist zum einen die Flüchtlingssituation der aus dem Nachbarland vertriebenen Rohingya, welche in Slums in den Grenzregionen untergekommen sind und weder Hoffnung auf Rückkehr besitzen, noch auf eine Zukunft in Bangladesch selbst. Zum anderen hat das Land wie so viele andere in der Region auch ein wachsendes Problem durch den rapiden Anstieg von Drogenmissbrauch und schmuggel. Deshalb kündigte die Premierministerin Hasini im Mai einen radikalen Strategiewechsel in der Drogenpolitik an, um endlich etwas dagegen zu unternehmen – das neue Motto: Abschreckung. Nach vier Monaten kann man nun auch eine erste Bilanz daraus ziehen – und diese fällt nicht positiv aus. In den letzten Monaten, in denen die Sicherheitskräfte den “Totalen Krieg gegen Drogen“ ausgerufen haben, fanden zunehmend außergerichtliche Erschießungen von Schmugglern statt. Kritische Äußerungen internationaler Menschenrechtsorganisationen schlägt man in den Wind und weist darauf hin, dass die meisten Toten nur auf interne Streitigkeiten der Drogennetzwerke zurückzuführen seien und es keine Alternativen zum neuen Kurs gebe. | Bild: © n.v.

Das zwischen Indien und Myanmar gelegene Land Bangladesch steht seit einiger Zeit vor großen Herausforderungen. Diese sind nicht nur schwer zu lösen, sondern stellen auch eine Gefahr für die Zukunft dar. Da ist zum einen die Flüchtlingssituation der aus dem Nachbarland vertriebenen Rohingya, welche in Slums in den Grenzregionen untergekommen sind und weder Hoffnung auf Rückkehr besitzen, noch auf eine Zukunft in Bangladesch selbst. Zum anderen hat das Land wie so viele andere in der Region auch ein wachsendes Problem durch den rapiden Anstieg von Drogenmissbrauch und -schmuggel. Deshalb kündigte die Premierministerin Hasini im Mai einen radikalen Strategiewechsel in der Drogenpolitik an, um endlich etwas dagegen zu unternehmen – das neue Motto: Abschreckung. Nach vier Monaten kann man nun auch eine erste Bilanz daraus ziehen – und diese fällt nicht positiv aus. In den letzten Monaten, in denen die Sicherheitskräfte den “Totalen Krieg gegen Drogen“ ausgerufen haben, fanden zunehmend außergerichtliche Erschießungen von Schmugglern statt. Kritische Äußerungen internationaler Menschenrechtsorganisationen schlägt man in den Wind und weist darauf hin, dass die meisten Toten nur auf interne Streitigkeiten der Drogennetzwerke zurückzuführen seien und es keine Alternativen zum neuen Kurs gebe. 1)

Die Hauptdroge, um welche es in diesem Zusammenhang geht, wird Yaba genannt – farbige Crystal Meth Pillen mit einem Umsatz auf dem asiatischen Markt von jährlich 3 Milliarden Dollar. Diese werden in Bangladesch zwar nicht produziert, aber aus Nachbarländern wie Myanmar importiert. Durch seine Lage inmitten der südostasiatischen Länder ist Bangladesch seit langem ein profitables Absatz- und Transitland. So wurden im letzten Jahr ca. 300 Millionen Pillen ins Land eingeführt – und Dealer gibt es genug. Denn den perspektivlosen arbeitslosen Rohingya Flüchtlingen bleibt oft keine andere Wahl, als in kriminellen Drogennetzwerken ihre Lebensgrundlage sicherzustellen. Statt diese in den Arbeitsmarkt zu integrieren und ihnen eine Zukunft zu bieten, setzt man nun auf Gewalt. Gleichzeitig kann mit der politisch motivierten Anti-Drogenkampagne auch ein anderes Problem angegangen werden. So sollen unter den ersten Toten auch oppositionelle Aktivisten gewesen sein, welche gar keinen Kontakt mit den Suchtmitteln hatten. Dies ist mit ein Grund dafür, dass seit den radikalen Maßnahmen im Land eine destabilisierende Terror-Atmosphäre herrscht – nicht nur unter Drogendealern. Regierungserklärungen zufolge will man weitermachen, bis das Problem vollständig beseitigt sei – doch das kann lange dauern. Denn Schätzungen zufolge liegt die Zahl der Drogenkonsumenten im Land bereits zwischen 7 und 8 Millionen. Durch das Töten von 200 will man also 150 Millionen Einwohner abschrecken, denn laut der Premierministerin zerstören die Drogen alle Ebenen der Gesellschaft und es spielt deshalb für sie auch keine Rolle, was internationale Instanzen wie die EU oder die UN daran auszusetzen haben. 2) 3)

Trotzdem scheint die neue Drogenpolitik keine Früchte zu tragen. Denn obwohl bisher 40,000 Menschen verhaftet wurden und weiterhin tote Schmuggler auf den Straßen Bangladeschs zu finden sind, hat der Konsum an sich nicht nachgelassen. Längst haben die Drogennetzwerke neue Strategien entwickelt, um nicht aufgegriffen werden zu können. Beispielsweise geben sich die Kuriere jetzt als Prestigepersönlichkeiten wie Imame oder Lehrer aus, oder nutzen den klassischen Schmugglertrick, indem sie die Drogenpakete einfach schlucken. Die einzigen Auswirkungen seit der Kriegserklärung sind dem gestiegenen Preis der Yaba-Pillen anzumerken. Außerdem sind die Dealer nur vordergründig aus dem öffentlichen Leben verschwunden – will man trotzdem an den Stoff, ruft man sie jetzt einfach über in der Szene kursierende Handynummern an. Ein weiteres strukturelles Problem, welches ebenfalls nicht gelöst werden konnte, ist die Unterwanderung der Polizei, wo korrupte Beamte seit Jahrzehnten am Handel mit profitieren. 4)

Ein hoher Polizeibeamter hat sich vor kurzem zu dem Sachverhalt geäußert und ist wie so viele auch der Meinung, dass nur Gewalt die einzig hilfreiche Maßnahme in diesem Zusammenhang sei. Er ist desweiteren fest davon überzeugt, dass um den allgemeinen Frieden zu sichern, es völlig legitim wäre, auf Waffengewalt zurückzugreifen – obwohl diese ja eher die gegenteilige Wirkung hat. Yabahandel sei weiterhin Teil eines internationalen Komplotts, um die Nation zu zersetzen und müsse daher vollkommen radikal beseitigt werden. 5)

Bei so viel Eskalationswillen in Politik und Sicherheitssystem ist es schwer, eine friedlichere Lösung des Problems durchzusetzen. Denn ein Blick auf andere Länder, in denen aus einer radikalen Anti-Drogenpolitik ein brutaler Krieg entflammt ist, weist auf das Eskalationspotential solcher Vorgehensweisen hin. Was bringen weniger Drogentote, wenn gleichzeitig eine Vielzahl auch unbeteiligter Menschen mit ihrem Leben dafür bezahlen muss? Ein friedlicherer Ansatz wäre der Ausbau von Entzugskliniken. Heute kommen auf zehntausende Abhängige grade mal 115 staatliche Plätze – in den privaten Einrichtungen sind es zwar etwas mehr, diese kann sich die am stärksten betroffene Unterschicht jedoch kaum leisten. Stärkere Investitionen zum einen in den Therapiesektor, aber auch in den Bildungssektor zu Aufklärungszwecken, wären ein erster wichtiger Schritt. Eine bessere Kontrolle der Grenzsituation wäre ein Zweiter – dies funktioniert aber nur nach einer gelungenen Integration der Rohingyaflüchtlinge in den Arbeitsmarkt und einem aktiven Kampf gegen die Armut. 4)

 

 

Fußnoten (Hinweise, Quellen, Links)

  1. timesofindia: Over 100 killed in ‚war on drugs‘ in Bangladesh; Artikel vom 29.05.2018
  2. theguardian: Bangladesh’s Philippines-style drugs war creating ‚atmosphere of terror‘; Artikel vom 25.05.2018
  3. reuters: Bangladesh kills 86, arrests 7,000 in anti-drugs campaign; Artikel vom 28.05.2018
  4. newagebd: Crackdown bears hardly any fruit; Artikel vom 03.09.2018
  5. prothomalo: CMP chief for use of arms to stop drug trading; Artikel vom 05.09.2018

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