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Bolivien

Regierungsform / Innenpolitische Verhältnisse

Bolivien ist nach der Verfassung von 2009 eine präsidiale Demokratie mit Zweikammerparlament. An der Spitze der Zentralregierung steht der für fünf Jahre gewählte Präsident. Aufgrund der sehr häufigen Umstürze konnten sich jedoch bisher nur wenige Regierungschefs über die volle Legislaturperiode halten.

Im Dezember 2005 wurde Evo Morales mit absoluter Mehrheit als erster Indigener in der Geschichte Boliviens zum Staatspräsidenten gewählt. Er wurde 6. Dezember 2009 und ebenso am 12. Oktober 2014 wiedergewählt.12

Ende März 2015 fanden Wahlen statt, die eine sinkende Zustimmung für die Regierung verdeutlichten. Abermals stand das oberste Wahlgericht unter Kritik. Im Mai 2015 traten die Wahlrichter deshalb zurück. Im Herbst 2015 beschloss das Parlament eine Verfassungsänderung, mit der die erneute Wiederwahl der Regierung über zwei Amtsperioden hinaus gesichert werden sollte. Diese Verfassungsänderung scheiterte jedoch knapp in einem Volksreferendum im Februar 2016. 3

Außenpolitik / Verhältnis zu Nachbarländern

Obwohl Bolivien über einen Reichtum an Bodenschätzen verfügt, ist es das ärmste und exportschwächste Land Lateinamerikas. Daher ist es auf gute politische und wirtschaftliche Beziehungen nicht nur zu seinen Nachbarn, sondern auch weltweit angewiesen. Im Gegensatz zu den Vorgängerregierungen stützt sich die Regierung Morales vermehrt auf die Zusammenarbeit mit Venezuela und Kuba, möchte jedoch auch das Verhältnis zu den Nachbarstaaten konsolidieren. Die Beziehungen mit den USA, die zuvor Hauptpartner darstellten, sind mittlerweile erheblich belastet. Dies zeigte sich durch zwei Ereignisse im Jahr 2008: die Ausweisung des US-amerikanischen Botschafters Philip Goldberg im September und der Beendigung der Zusammenarbeit mit der US-Anti-Drogenbehörde DEA.124

Im April 2016 kritisierte Morales auf einer UN-Sondersitzung die Doppelmoral der USA, die selbst keine Maßnahmen zur Bekämpfung des internen Drogenproblems ergreifen würden, aber andere Länder nach ihrer Effektivität bei der Drogenbekämpfung einstufen.

Menschen- und Freiheitsrechte

Institutionelle Entwicklungen im Justizwesen gaben in den vergangenen Jahren Anlass zu ernsthafter Besorgnis. Bedenklich sind vor allem die Bereiche Unabhängigkeit der Justiz, Straflosigkeit und Zugang zum Rechtssystem, Frauenrechte sowie Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung. Insbesondere Menschenrechtsverletzungen durch Sicherheitskräfte werden teils nur sehr langsam aufgearbeitet.56

Wichtigste Ziele der Regierung sind die Armutsbekämpfung und die vollständige Teilhabe der indigenen Bevölkerungsmehrheit am politischen und wirtschaftlichen Leben. Von der Bevölkerung erhalten die Maßnahmen größtenteils Zustimmung.

Im März 2015 war nach einer öffentlichen Anhörung vor der Interamerikanischen Menschenrechtskommission zugesichert worden Maßnahmen einzuleiten, um den Opfern von Menschenrechtsverletzungen, Wahrheit und Gerechtigkeit widerfahren und eine Wiedergutmachung zukommen zu lassen. Es sollte eine Wahrheitskomission gegründet werden. Eine Entscheidung darüber steht jedoch noch aus.7

Die Gesellschaft ist jedoch weiterhin durch Ungleichheit, insbesondere zwischen den Ethnien,  geprägt. Die Handlungsspielräume der Opposition, der Zivilgesellschaft und der Presse haben sich durch die Machtkonzentration auf Morales und seine Partei außerdem verengt.8

Für die Periode 2015-2017 ist Bolivien in den VN-Menschenrechtsrat gewählt worden, sodass das Land von nun an mit regelmäßigen Überprüfungen der Menschenrechtslage rechnen muss.2

Drogenproblematik

Bolivien ist der drittgrößte Kokaproduzent weltweit. Die Kultivierung und der Konsum der Kokapflanze hat im Andenstaat Tradition, was die Bekämpfung der Kokainproduktion und des -handels bis heute erschwert. Die Blätter des Kokastrauchs werden als Genußmittel, Nahrungsergänzungsmittel sowie für kultische und medizinische Zwecke gebraucht. Sie werden gegen Hunger, Müdigkeit, Kältegefühl und gegen die Höhenkrankheit verwendet. Schätzungsweise ein Drittel der Bevölkerung konsumiert heute Kokablätter.910

Der Koka-Anbau ist einer der Hauptwirtschaftszweige des Landes. Etwa acht Millionen Menschen leben vom Kokaanbau. Das Kokaingeschäft setzt in Bolivien jährlich 1,5 bis 2 Mrd. Dollar um. Davon verbleibt Schätzungen zufolge etwa ein Drittel im Land.11

In den 1980er Jahren nahm der illegale Kokaanbau in Bolivien derartige Ausmaße an, dass die Regierung – von den USA  unterstützt – einen erbitterten Kampf gegen Koka aufnahm und mit der Zerstörung der Felder begann. Die kulturelle Bindung zum Koka erschwert jedoch die Bekämpfung des Kokains bis heute. Wie eine Studie der EU aus dem Jahr 2013 zeigte, werden in Bolivien weitaus mehr Kokablätter produziert, als die  Bevölkerung  zum Eigenkonsum benötigt. Auf den zwei autorisierten Märkten landen nur 41 Prozent der Produktion.  Der Rest ist für die Drogenproduktion, vermutet ein früherer UNODC-Vertreter in Bolivien.1213

Drogengesetze

Bolivien erlaubt eine jährliche Anbaufläche von 12.000 Hektar für den traditionellen Gebrauch der Kokablätter in der Yungas-Region nahe La Paz. Gleichzeitig wird der Anbau von Koka in bestimmten Regionen geduldet. Während der Anbau des Kokastrauchs in Bolivien legal ist und bestimmten Vorraussetzungen unterliegt, ist die Weiterverarbeitung der Blätter zu Kokain oder seinen Vorprodukten hingegen streng verboten. Rauschgiftdelikte werden in Bolivien streng geahndet, die Mindeststrafe beträgt in der Regel acht Jahre.14215

Präsident Morales nimmt in der Drogenthematik eine zentrale Rolle ein. Er selbst war vor seiner politischen Karriere KoKa-Bauer und entstammt einer indigenen Familie aus ärmlichen Verhältnissen. Trotz seines Amtes als Staatspräsident ist er noch heute Führer der Bewegung für die Rechte der Koka-Bauern. Er setzt sich öffentlich und weltweit für die Legalisierung des Kokablattes Kulturpflanze ein und weist dabei auf die vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten hin. Nachdem der Antrag Boliviens Ende Januar 2011 gescheitert war, den Kokastrauch aus den internationalen Verträgen auszuklammern, wurde Bolivien als Mitglied der UN-Drogenkonvention von 1961 ausgeschlossen. 2013 ist Bolivien aber wieder beigetreten, die Regelungen zur Koka Pflanze aber gelten nicht mehr für Bolivien.12

Maßnahmen der Regierung / Kooperationen mit anderen Staaten

Die Entwicklung von Antidrogenmaßnahmen in Bolivien verlief von reinen Substitutionsvorhaben über Ansätze einer alternativen Entwicklung bis hin zu einer gewaltsamen Vernichtung von Kokapflanzen. Die Reduzierung der Kokaanbaufläche gehört auch zum Plan der aktuellen Regierung Morales. Bis 2015 soll diese auf ca. 20.000 Hekar reduziert werden. Die Einhaltung von Produktionsquoten soll von den Kokabauern selbst überwacht werden.1016

Bolivien verfolgt einen eigenen Ansatz bei der Bekämpfung des Kokains. Dabei setzt das Land nicht auf die vollständige Eradikation der Pflanze, sondern erlaubt Bauern den Kokaanbau in einem klar definierten Umfang, der ihnen ein angemessenes Einkommen generiert. Die Einhaltung des Umfangs wird mit einer Art Graswurzelbewegung kontrolliert, in der jeder Bauer ein Auge auf seinen Nachbarn wirft. Die starke Solidarität der Bauern in den Kokagewerkschaften trägt zum Erfolg dieses Ansatzes bei. Dazu kommt, dass das eingeschränkte Angebot an Kokablättern zu höheren Preisen führt, wovon alle Bauern profitieren.17

Im Jahr 2008 wurde die Zusammenarbeit Boliviens mit der amerikanischen Antidrogenbehörde DEA aufgekündigt. Grund für die Beendigung der Kooperation waren Vorwürfe von Seiten Morales, die DEA würde die Opposition unterstützen und „politische Spionage“ betreiben. Während die USA die damaligen Vorwürfe zurückwiesen, hat sich seit den Vorfällen die Zusammenarbeit wieder etwas normalisiert. Anfang 2012 unterzeichneten die USA, Bolivien und Brasilien ein Abkommen zur verstärkten Zusammenarbeit im Kampf gegen die Drogenwirtschaft.18

Bolivien ist Teil des sogenannten „Andean Trade Promotion and Drug Eradication Act“ (ATPDEA), der 2002 ins Leben gerufen wurde. Zweck der Initiative ist die wirtschaftliche Entwicklung der Andenstaaten zu fördern und somit gleichzeitig Alternativen zur Kokainproduktion zu entwickeln.19

Entwicklungspolitische Zusammenarbeit mit der Bundesregierung

Die Bundesrepublik Deutschland kooperiert zur Drogenkontrolle seit 1991 mit zahlreichen Entwicklungsländern, u.a. auch mit Bolivien. Die Schwerpunkte liegen hierbei in der Erarbeitung und Umsetzung von Maßnahmen zur alternativen Entwicklung und Suchtprävention. Zusätzlich sollen vor Ort die Institutionen zur Suchtkontrolle nachhaltig gestärkt werden.20

Quellen:

  1. Wikipedia zu Bolivien [] []
  2. Auswärtiges Amt zu Bolivien [] [] [] []
  3. Auswärtiges Amt: Innenpolitik; aktualisiert im 03.2016 []
  4. Artikel des Tagesspiegel []
  5. Amnesty International: Jahresbericht 2011 []
  6. BMZ zu Bolivien – nicht mehr verfügbar []
  7. Amnesty: Bolivien; Veröffentlicht in 2016 []
  8. BMZ: Bolivien – Situation und Zusammenarbeit; nicht mehr verfügbar []
  9. Wikipedia zur Verwendung des Kokastrauchs []
  10. U.S. Department of State zu Bolivien [] []
  11. NZZ: Die zwei Seiten des grünen Blattes; veröffentlicht am 25.04.2016 []
  12. NZZ: Die zwei Seiten des grünen Blattes; veröffentlicht am 25.04.2016 [] []
  13. Wikipedia: Drogenkriminalität – Bolivien; aktualisiert am 03.11.2016 []
  14. infoleyes.com zu Bolivien []
  15. GTZ: Drogen und Entwicklung in Lateinamerika []
  16. GTZ: Drogen und Entwicklung in Lateinamerika []
  17. The Nation: Washington Snubs Bolivia on Drug Policy Reform, Again []
  18. Latina Press: Bolivien: Anti-Drogen-Deal mit USA und Brasilien []
  19. Wikipedia zum ATPDEA []
  20. GIZ Bolivien []

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