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Argentinien

Regierungsform / Innenpolitische Verhältnisse

Die Verfassung Argentiniens wurde erstmals im Jahre 1853 erlassen und folgt dem nordamerikanischen Vorbild einer präsidialen Bundesrepublik.1 Die 23 Provinzen des Landes sind weitreichend selbstverantwortlich und führen ihre eigene Provinzregierung und –verfassung, die unter der Leitung eines direkten Gouverneurs und eines Parlaments steht. Wirtschaftlich wird Argentinien durch die Landwirtschaft  bestimmt und deshalb auch international oft noch als Schwellenland bezeichnet. Laut dem Human Development Index der Vereinten Nationen zählt es jedoch seit 2011 zu den „sehr hoch entwickelten Staaten“.2

Cristina Elisabet Fernández de Kirchner ist seit 28. Oktober 2007 amtierende Präsidentin und nach Isabel Martínez de Perón das zweite weibliche Staatsoberhaupt des Landes. 2011 wurde sie bei den Wahlen erfolgreich wiedergewählt. In das Amt folgte sie ihrem verstorbenen Gatten, der zu Lebzeiten das amtierende Staatsoberhaupt war.3

In den vergangen Monaten gab es einen enormen Anstieg von Kriminalität, staatlichen Kontrollen und Eingriffe in die wirtschaftliche Lage des Landes, welche zu Inflation und Arbeitslosigkeit führten. In der Bevölkerung verliert die Präsidentin derzeit ihren Zuspruch und muss mit Massenprotesten, v.a. von Seiten der Mittel- und Oberschicht, umgehen. Korruptionsvorwürfe gegenüber dem Vizepräsidenten Boudou destabilisieren die politische Situation nur umso mehr. Der Oppositionspartei der Regierung gelang es bisher nur schlecht, den Unmut der Bevölkerung zu bündeln und ein gemeinsames Anliegen und eine gemeinsame Kraft daraus zu ziehen.4

Außenpolitik / Verhältnis zu Nachbarländern

Als Mitglied der Charta der Vereinten Nationen bemüht sich Argentinien um eine freundliche Beziehung zu den übrigen Mitgliedsstaaten. Das Land respektiert die friedensstiftenden Entscheidungen des General Assembly und des Security Councils. Auf regionaler Ebene misst Argentinien der Beziehung zu Lateinarmerika und den karibischen Staaten hohe Bedeutung zu. Die 1991 gegründete Vereinigung MERCOSUR dient der Gewährleistung eines allgemeinen Handels zwischen den lateinamerikanischen Ländern, der auf Frieden, Demokratie und Zusammenarbeit beruht. Gründerstaaten der Vereinigung sind Argentinien, Brasilien, Uruguay und Paraguay, wobei Bolivien und Chile mittlerweile auch beigetreten sind.5

Argentinien pflegte in den letzten Jahren eine sehr vertraute Beziehung zu den USA, die jedoch zwischenzeitlich durch leichte Irritationen und einen Vorfall Anfang 2011, der die bilaterale Sicherheitskooperation in Frage stellte, geschwächt wurde. Bei einem persönlichen Aufeinandertreffen der beiden Staatsoberhäupter im November 2011 am Rande des G20-Gipfeltreffens in Cannes stimmten beide einem Wiederaufleben des bilateralen Verhältnisses zu. Allerdings sorgen bis jetzt noch ungelöste Altschuldenfälle sowie Handelsstreitigkeiten für anhaltende Differenzen.6

Menschen- und Freiheitsrechte

Während Argentiniens Militärdiktatur in den Jahren 1976 bis 1983 wurden oppositionelle Meinungen gegenüber der Regierung in keiner Weise geduldet und feindliche Anhänger gefoltert und ermordet.  Mit dem anschließenden wirtschaftlichen Untergang des Landes fand auch die zuvor herrschende Militärdiktatur ihr Ende. Letztendlich konnten 1983 wieder Wahlen stattfinden und eine Demokratie hergestellt werden.7 Seitdem ist die Regierung äußerst bemüht, mehr Militär und Polizeikräfte im Land einzusetzen, um die Zahl an Entführungen, Morden und Folter zu senken. Das oberste Gericht des Landes kämpft seit einigen Jahren um eine Verbesserung der Rechtslage von Häftlingen, sodass sie unter angemessenen Verhältnissen im Gefängnis leben können. Dazu bemüht sich die Regierung, legale Abtreibungen sowie die kritische, freie Meinungsäußerung zu bestärken. Wesentliche Menschenrechtsbewegungen kreisen sich um die Häftlingssituation, die Folter und weitere Einschränkungen von Rechten.8

Obwohl die Regierung in keinerlei Weise willkürliche Festnahmen befürwortet, kommt es doch immer wieder zu polizeilichen, nicht vertretbaren Verhaftungen. Eine Schwierigkeit, die sich der Regierung in dieser Situation stellt, ist die Individualität der einzelnen Provinzen. Jede von ihnen beschäftigt eigene Polizeieinheiten, die nach unterschiedlichen Richtlinien handeln und unterschiedlichen Vorgesetzten unterstellt sind. Eine einheitliche und effektive Staatssicherheit wird hierdurch erschwert. Zusätzlich treten oft korrupte Mächte innerhalb der Polizei auf und eigene Kontrollen innerhalb der Einheiten sind rar und nicht zuverlässig. Die meisten Missbrauchsfälle, wie Erpressung und nicht verantwortliche Verhaftungen, spielen sich in der Drogenszene ab.9

August 2008 veröffentlichte die Vereinigung für Civil Rights und die Open Society Justice Initiative einen Bericht, der behauptete, dass die Zuteilung von Werbefonds durch die Regierung Einfluss auf die Meinungsfreiheit nahm. Laut Bericht soll die Regierung die Verteilung von staatlichen Werbegeldern missbraucht und somit die Presse, abhängig von ihrer Einstellung, begünstigt oder bestraft haben. Der Bericht stützt sich auf Presseberichte und private Kommentaren argentinischer Medienbosse.9

Drogenproblematik

Bereits seit Jahren dient Argentinien den Kartellen als Transitstaat für den Drogenhandel. Kokain wird durch das Land nach Europa, Heroin wird in die USA und die Medikamente Ephedrin und Pseudoephedrin nach Mexiko geschmuggelt. Geldwäsche, besonders in der Tri-Border Area, und staatliche Korruption sind dabei folgenschwere Nebenwirkungen.10

Mittlerweile nutzen die Drogenbosse Argentinien nicht nur als Transitstaat, sondern betreiben dort zusätzlichen Handel. Laut der New York Times entwickelte sich Argentinien zu einem bequemen und praktischen Standort für kolumbianische und mexikanische Drogenschmuggler, die dort verdeckt die Wirtschaft beeinflussen. Sie leben an den teuersten und sichersten Orten Argentiniens. Dort bestimmen sie fähige, örtliche Mittelsmänner, die ihre Drogengeschäfte regeln.

Somit wurde in den letzten Jahren der Zugang zu Kokain immer leichter und der Konsum innerhalb des Landes zu einem ernstzunehmenden Problem. Laut dem United Office on Drugs and Crime befinden sich in Argentinien knapp 25 Prozent aller Kokainkonsumenten Süd- und Zentralamerikas.. Seit 2007 hat sich die Anzahl der Konsumenten verdoppelt.11

Mit der Zunahme von Drogenschmuggel und Konsum, steigt auch die Kriminalität innerhalb des Landes. Die Bürger finden sich mittlerweile mit Drogenüberfallen, Schießereien und der bitteren Wahrheit, dass das Land nicht mehr nur als Transitstaat für große Drogenbosse dient, ab. Durch eine wachsende Nachfrage gelang es den Kartellen mit Leichtigkeit zu expandieren und Argentinien als profitablen Markt zu nutzen. Anders als die Nachbarländer verfolgt der Staat noch keine strikte Drogenpolitik und scheint die Zahlen und Fakten zu leugnen.

“The growth and rate of domestic consumption sustained in Argentina since 2003 may be attracting money with an illicit origin,” Ms. Garré said in a statement. “The situation is being carefully monitored by Justice Ministry authorities. Nevertheless, I must emphasize that Argentina, a country of 40 million, is a market of marginal interest for drug traffickers intent upon reaching areas of mass consumption in the United States and Europe.”12

Eine wirtschaftliche Krise in den Jahren 2000 bis 2001 und poröse Grenzübergänge zu den Nachbarstaaten verschafften dem Drogenhandel und –konsum in Argentinien einen vorteilhaften Start. Ärmere Menschen, die unter den Auswirkungen der Krise noch stärker litten, waren nun für Drogen und Geld leicht zugänglich und somit bestechlich gegenüber Drogendealern. In Buenos Aires alleine leben geschätzte vier Millionen Menschen in Armut, die meisten von ihnen versuchen mithilfe des Drogenkonsums vor ihrer Verzweiflung zu flüchten.

Zum selben Zeitpunkt übte die USA erheblichen Druck auf Mexiko aus. Sie forderten den Staat auf, konsequent gegen die Drogenkartelle, die hauptsächlich die Stoffe über die Grenze in die USA schmuggelten, vorzugehen. Als die Regierung auf die Forderung reagierte und mit Militäreinsätzen gegen die Kartelle vorging, suchten die Drogenbosse nach neuen und sichereren Standorten für ihre Geschäfte. In Kolumbien ging es den Kartellen ähnlich. Die Regierung ging gegen die Drogenbanden hart vor und zerstörte durch Chemikalien und Brände ihre Kokaplantagen. Auch sie mussten sich neue Wege suchen, wie sie ihre Produktion und ihren Transport durchführen konnten. Die gewünschte Sicherheit fanden die Kartelle in Argentinien.13

Argentinien läuft derzeit Gefahr, der stärkste Umschlagsort für Drogen in Lateinamerika zu werden. Internationale Verbrecherorganisationen erhöhen zunehmend ihre Präsenz und ihren Einfluss im Land. Und obwohl die Regierung versucht, dagegen anzukämpfen, könnte sie sich mit einem Problem konfrontiert sehen, dem sie nicht gewachsen ist und das die Sicherheitslage im Land ernsthaft in Gefahr bringen könnte.14

Drogengesetze

Handel, Konsum sowie der Anbau von Drogen sind in Argentinien illegal und werden strafrechtlich geahndet. Auch der Besitz von kleinsten Mengen ist verboten und wird mit hohen Geldstrafen verurteilt. Wie bereits erwähnt werden Gefangene unter unmenschlichen Zuständen in den argentinischen Gefängnissen festgehalten.15

In der Provinz Buenos Aires sind seit August 2009 die Strafen für Cannabiskonsum etwas gelockert worden. Der Oberste Gerichtshof erklärte den Besitz von kleinen Mengen Marihuana für den persönlichen Gebrauch als legal und die bisherige Praxis, die jeden Drogenbesitz unter Strafe stellte, als verfassungswidrig. „Der Besitz und Konsum kleiner Mengen Marihuana im privaten Bereich sei durch das in der Verfassung verankerte Selbstbestimmungsrecht gedeckt, begründeten die sieben Richter ihre Entscheidung. Dies gelte jedoch nur für Erwachsene, und Dritte dürften nicht in ihrer Gesundheit gefährdet werden, entschieden sie einstimmig.“16

Maßnahmen der Regierung / Kooperation mit anderen Staaten

Derzeit scheint die Regierung unter Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner die Dekriminalisierung von illegalen Drogen vorantreiben und für ihre eigenen Zwecke nutzen zu wollen.

Dies wäre eine längst überfällige Änderung der Drogengesetze, die bis jetzt ein völliger Misserfolg waren, denn Drogenkonsum und Handel haben trotz maßgeblicher Verbote nicht aufgehört zuzunehmen. Etwa ein Drittel aller Gefängnisinsassen wurde aufgrund von Drogen inhaftiert. Die meisten unter ihnen sind lediglich kleine Dealer, Drogenkuriere und einfache Konsumenten. Gegen die Strippenzieher, die mächtigen Drogenkartelle, konnte der Staat noch keine Erfolge erzielen und somit ist der Konsum auch immer noch im Anstieg begriffen.17

Durch beinahe tägliche Bekanntmachungen über kürzlich durchgeführte Kokain- oder Marihuanarazzien versucht Argentiniens Sicherheitsminister, Erfolge in der Drogenbekämpfung vorzuweisen.12

Durch bilaterale Abkommen mit zahlreichen lateinamerikanischen, aber auch europäischen Staaten hat sich Argentinien seit Jahren zu einem offenen und kooperativen Informationsaustausch hinsichtlich des Drogenhandels verpflichtet.18

Besonders die USA unterstützten Argentiniens Anti-Drogen-Politik und stehen dem Land bei deren Durchführung zur Seite. Die Förderung alternativer, legaler Landwirtschaft, die Senkung der Drogennachfrage sowie der Ausbau von Anti-Drogen-Einrichtungen stehen dabei im Mittelpunkt.

Nach einem Jahr Auszeit erlaubte im Juni 2012 das argentinische Sicherheitsministerium die erneute Zusammenarbeit mit der US Drogenvollzugsbehörde. Nachdem es im vorherigen Jahr aufgrund einer äußerst sensiblen Fracht des US-Militärs am Flughafen Buenos Aires zu Konflikten gekommen war, forderte Argentinien einen sofortigen Abbruch der Kooperation. Nach klärenden Gesprächen ist Argentinien nun zu einer erneuten Zusammenarbeit bereit und erhält von der DEA Anti-Drogen-Trainings und Seminare, die die staatlichen Sicherheitskräfte schulen sollen.19

Entwicklungspolitische Zusammenarbeit mit der Bundesregierung

Staaten Lateinamerikas und in der Karibik haben in den letzten Jahren einen stetigen Wandel vollzogen und politisch wie auch wirtschaftlich global an Gewicht gewonnen. Deutschland hat darauf befürwortend reagiert und im August 2010 ein neues ressortübergreifendes Lateinamerika- und Karibik-Konzept der Bundesregierung vorgestellt. Dieses Konzept soll zur Unterstützung der wachsenden Bedeutung des Subkontinents beitragen, die Stabilität der bisherigen Beziehungen bestätigen und das langfristig angelegte partnerschaftliche Engagement Deutschlands unterstreichen.

Besonders drei Schwerpunkte können aus diesem Konzept herausgearbeitet werden. Zum einen die Zusammenarbeit bei globalen Herausforderungen, wie beispielsweise Umwelt- und Klimaschutz, der Kampf gegen organisierte Kriminalität und Drogen sowie der Umbau der globalen Finanzarchitektur. Der zweite Schwerpunkt umfasst den Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen und die Förderung von Investitionen in beide Richtungen. Als letzten Schwerpunkt spricht das Konzept die grenzüberschreitende Vernetzung von Wissenschaft, Forschung, Bildung und Kultur an.20

  1. Auswärtiges Amt – Argentinien Innenpolitik – aufgerufen am 22.10.13 []
  2. Wikipedia zu Argentinien – aufgerufen am 22.10.13 []
  3. Wikipedia zu Cristina Kirchner – aufgerufen am 22.10.13 []
  4. Auswärtiges Amt – aufgerufen am 22.10.13 []
  5. Australian Embassy of Argentina: Argentina in brief – aufgerufen am 22.10.13 []
  6. Auswärtiges Amt – Argentinien Außenpolitik – aufgerufen am 25.10.13 []
  7. Wikipedia zur argentinischen Militärdiktatur – aufgerufen am 22.10.13 []
  8. Human Rights Watch: Argentina []
  9. Wikipedia: Human Rights in Argentina [] []
  10. IndexMundi: Argentina Illicit Drugs []
  11. Paula Delgado-Kling: Talking About Colombia []
  12. The New York Times: Once just a Stopover for Drug Traffickers, Argentina has become a Destination [] []
  13. Narconon International: Argentina Drug Addiction []
  14. InSightCrime: Spiraling Violence Provokes Political Spat in Argentina []
  15. Auswärtiges Amt: Argentinien – Besondere strafrechtliche Vorschriften []
  16. Spiegel Online: Drogenpolitik: Argentinien erlaubt kleine Mengen Marihuana []
  17. International New York Times: Kirchner for Reefers? []
  18. OAS: Argentina – Evaluation of Progress in Drug Control 2005-2006 []
  19. U.S. Department of State: 2013 INCSR: Country Reports – Afghanistan through Costa Rica []
  20. BMZ: Lateinamerika und Karibik []

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